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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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will. Stoney erinnert mich an die in mich gesetzten, unerträglichen Erwartungen. Stoney erinnert mich an Dad. Als Stoney wurde ich gezüchtet...«
    »Was?«
    »... aber als Antichrist bin ich«, sagte der Antichrist und schloss mit großer Joint-Geste den ganzen rotschwarzen Horizont ein. »Als Antichrist habe ich ein Ding, und es ist unmissverständlich klar, wo ich ende und das Andere beginnt. Niemand erwartet von mir, etwas anderes zu sein, als ich bin, nämlich ein Abfallprodukt, das nichts weiter tut, als sein Bein zu füttern. Doch auch wenn es dir nicht aufgefallen ist, ich habe dir gerade sehr geholfen.« Mit einem Finger befeuchtete der Antichrist die eine Seite des Joints, die zu schnell abbrannte.
    »Hasst du Dad eigentlich?«, fragte Lenore. »Oder glaubst du, dass ich Dad hasse?«
    »Naja, wenn ich mir ansehe, wie du du bist...«, sagte der Antichrist und tat so, als wolle er gegen ihren Arm boxen. »Nein, im Ernst, ich kann nur für mich sprechen, nicht für dich, auch wenn ich noch so kluge Sachen über dich sage, okay?«
    »Arschloch.«
    »Ich hasse Dad übrigens nicht«, sagte der Antichrist. »Aber er macht mich astronomisch müde. Ich finde Dad ermüdend. Sogar mein Stumpf tut mir weh, wenn ich in seiner Nähe bin.«
    Lenore umklammerte ihr Knie.
    »Die Einzige, die Dad wirklich hasst, ist Mom«, fuhr LaVache fort. »Oder vielmehr, sie würde ihn hassen, wenn sie noch Mom wäre. Diejenige, die ich im vergangenen Monat gesehen habe, sah nicht mehr aus wie eine Mom. John Lennon: ja. Mom: nein.«
    »Mom fehlt dir.«
    »Mir fehlt grundsätzlich eine Mom. Mom ist in der Klapsmühle, seit ich denken kann. Mein ganzes Leben kreist in gewisser Weise um ihre Abwesenheit. Nur mit neun, das weiß ich noch, war sie einmal da. Aber Dad und Miss Malig haben sie gleich wieder abgeschoben.«
    »Naja, sie hatte wieder versucht, das Spalier hochzuklettern. Man kann nicht normal mit jemandem Zusammenleben, der immer am Haus hochklettert.«
    LaVache sagte nichts darauf.
    »Es ist natürlich schade, dass du sie im Grunde nie gekannt hast. Sie war kein schlechter Mensch, im Gegenteil.« Lenore bewegte den Kopf, bis die Felder in der Dämmerung anfingen zu glitzern.
    »Ich fühle mich ihr irgendwie nahe«, sagte LaVache. »Echt. Moms Kopf und mein Bein kamen bei demselben Tänzchen um. Doch immerhin habe ich noch mein Ding, Mom nicht, sie ist dinglos.« Er nahm das Etikett des rutschenden Mannes in die Hand, das auf dem Spitzensaum von Lenores weißem Kleid lag. »Ist dir aufgefallen, dass der Hügel, den dieser Mann hinaufgeht bzw. hinabrutscht, eine Art Düne ist? Siehst du, wie seine Füße im Sand versinken? Und dann dieser Kaktus hier? Das sieht mir doch sehr nach Wüste aus. Ein weiterer Gegenstand zum Nachdenken, sorry.«
    »Aber wenn seine Füße im Sand versinken, dann rutscht er nicht, dann geht er«, sagte Lenore. »Außerdem wären im Sand Rutschspuren zu sehen.«
    LaVache schaute auf das Etikett und fasste sich ans rote Kinn. »Na ja, es sind überhaupt keine Spuren zu sehen, weder Rutschspuren von oben noch Trittspuren von unten.«
    »Hmmm.«
    »Tja, scheint so, als hätte Großmütterchen hier einen Fehler gemacht. Es sei denn, der Mann wäre von einem Hubschrauber an genau dieser Stelle abgesetzt worden, eine weitere Möglichkeit, an die Dr. W. nicht gedacht hat, vermutlich weil es damals noch keine Hubschrauber gab. Der Stand der Technik beeinflusst also die Interpretation.«
    »Hmmm.«
    Der Antichrist gab Lenore die Zeichnung zurück. »Kann Vlad der Pfähler jetzt wirklich sprechen?«
    »Du solltest ihn hören. Obwohl ich in der letzten Woche fast nie da war, wird seine Wortwahl immer drastischer.« Lenore sah, dass der Mann auf der Zeichnung ein breites Lächeln im Gesicht trug, obwohl man es nur im Profil sah. Und dass er einen Schatten hatte – falls es sich nicht einfach um Sand handelte.
    »Und was sagt er so?« »Leider nur obszönes Zeug. Das ist wahrscheinlich Candys Einfluss.«
    Der Antichrist stöhnte vieldeutig. »Jaaaa, gib’s mir . gleich geht mir ein Bein ab.«
    »Jetzt haben wir angefangen, ihm Sachen aus der Bibel beizubringen, damit wir nicht aus der Wohnung fliegen, wenn Mrs. Tissaw ihn hört«, sagte Lenore. »Sie war schon nicht begeistert, als sie die Löcher gesehen hat, die Vlad immer in die Wand hackt.«
    »Das muss ich mir anhören.«
    »Hör mal, mein Hintern tut allmählich weh«, sagte Lenore. »Wir sollten zurückgehen. Rick ist vermutlich schon in eurer WG und fragt

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