Der Besen im System
sich, wo ich bleibe. Hast du Lust, mit uns zu Abend zu essen? Ich gehe davon aus, dass Rick ins Aqua Vitae will.«
»Schauen wir mal. Sollte es mir gelingen, dem hegel’schen Vampir von Nervous Roy in vertretbarer Zeit einen Pflock ins Herz zu rammen, dann komme ich gerne mit.«
»Noch etwas. Hättest du etwas dagegen, wenn ich Dad sage, dass du über ein Telefon verfügst?«, fragte Lenore. »Dad macht sich Gedanken um dich.«
»Ein Satz von vielerlei Wahrheit.«
»Er setzt seine ganze Hoffnung in dich, sagt er.«
»Ich habe festgestellt: An Nadeln sticht man sich«, sagte LaVache.
»Du könntest ihm wenigstens sagen, dass du dein Telefon Lymphknoten nennst.«
»Dann kann ich es auch gleich Telefon nennen«, sagte der Antichrist mürrisch.
Sie schauten zurück auf die Sportplätze und den Wald hinter ihnen. Lange Schattenlanzen erstreckten sich über das Gras, dazwischen glitzerte der Tau der Beregnungsanlage. Zwei winzige Gestalten traten unter den Bäumen des Vogelschutzgebiets ins Freie und gingen über die Felder auf den Hügel zu. Eine der beiden Gestalten, die kleinere, trug ein braunes Barett.
»Hey«, sagte Lenore leise.
Sie sah, wie die beiden Gestalten stehen blieben. Der Größere der beiden – seine Haare leuchteten in der Abend-Sonne zwischen den Schatten der Sporthalle rot auf – bückte sich und griff mit der Hand ins nasse Gras. Die beiden Gestalten zogen ihre Schuhe und Socken aus, das heißt, der Größere nur seine Schuhe, denn er trug keine Socken. Dann gingen sie weiter und standen irgendwann am Fuß des Hügels.
»Da ist ja Rick«, sagte Lenore und wies auf den Mann mit dem Barett. Sie winkte. Rick schaute in ihre Richtung, die Hand am Kopf, als sei er etwas verwirrt. Schließlich lächelte er und winkte zurück. Er sagte etwas zu dem anderen Mann und zeigte dabei auf Lenore.
»Wer ist der andere Typ?«, fragte LaVache. Er warf den Stummel weg und wollte aufstehen.
»Das weiß ich auch nicht«, sagte Lenore. Sie sah zu dem Größeren hin, der mit energischen Schritten den steilen Hügel hochkam. Mit der einen Hand trug er die Bootsschuhe, mit der anderen zog er Rick mit sich, der mit seinen nackten Füßen auf dem nassen Gras immer wieder ausrutschte. Der Größere grinste über dessen Anstrengungen, und dabei fielen die letzten Sonnenstrahlen über der Sporthalle auf seine Zähne, die ebenfalls rot aufleuchteten.
»Wie sehe ich aus?«, fragte Lenore.
»Du Bekloppte«, sagte LaVache. »Komm, hilf mir lieber.«
Lenore half ihrem Bruder beim Aufstehen. Die beiden Männer waren inzwischen beinahe am Gipfel angelangt, wo das Gras trocken und braun wurde und Rick keine Hilfe mehr brauchte. Man rief hin und her. Der Antichrist hatte Gleichgewichtsprobleme. Der letzte Rest Sonne wurde hinter der Sporthalle weggesaugt. Ein kühler Abendschatten erfüllte die Felder und kroch langsam den Hügel hinauf, bis er das Kriegerdenkmal erreichte. Und als die vier Gestalten schließlich aufeinander trafen, umhüllte der Schatten auch diese. Dann waren sie nicht mehr da.
Teil 2
│12│ 1990
│a│
»Vielleicht noch ein Schinken-Sandwich ohne Rinde und Mayonnaise, aber nur, wenn Sie nichts unversucht lassen, dessen Salzgehalt auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.«
»...«
»Und einen Canadian Club mit destilliertem Wasser.«
»Gern. Und was ist mit Lenore? Schläft sie?«
»Hguaa, hguaa, hguaa.«
»Offensichtlich.«
»Und für Sie, Sir? Was kann ich Ihnen Gutes tun?«
»Ma’am, für eine halbwegs gesittete Antwort müsste ich erst nachdenken. Aber in der Zwischenzeit können Sie mir ein Bier bringen. Ein Glas brauche ich nicht, ich trinke es so.«
»Alles klar.«
»Danke, Miss.«
»...«
»Wer zum Henker war das?«
»Ich glaube, sie heißt Jennifer. Sie ist die Stewardess von Stonecipheco.«
»Hängt mich auf, wenn das nicht die gottverdammt schönste Stewardess war, die ich jemals gesehen habe. Und was kann ich Ihnen Gutes tun, fragt die auch noch.«
»Ahem. Lenore hat mir zu verstehen gegeben, dass sie mit dem Stonecipheco-Piloten verheiratet ist, in dessen Händen gerade unser Leben liegt.«
»Hmm-hmm.«
»Einen Kaugummi?«
»Nicht, wenn Bier im Anmarsch ist. Aber du bist wohl ein echter Kaugummi-Junkie?«
»Nein, ich habe nur Probleme mit den Ohren. Normalerweise kann ich Kaugummi nicht ausstehen.«
»Hmm-hmm.«
»Und Flugzeuge wohl auch nicht?«
»He, Lenore, bist du wach?«
»Hgnaa.«
»Ich beneide Menschen, die im Flugzeug schlafen können,
Weitere Kostenlose Bücher