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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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anderen Manuskripte, die dir verdienstvoll, viel versprechend oder einer weiteren Prüfung durch mich wert erscheinen, versiehst du mit einem Sternchen.«
    »Hmm.«
    »Natürlich müssen wir sicherstellen, dass deine Geschmackskoordinaten auf Review-Niveau geeicht sind.«
    »Wie, du willst meine Geschmackskoordinaten eichen?«
    »Nur die Ruhe. Ich gehe mit dir lediglich einige Textproben durch, die von mir bereits beurteilt wurden, und wir sehen mal, was geschmackskoordinatenmäßig passiert. Angucken kannst du dir schon mal ... diese hier.«
    »Sind das alles unverlangt eingesandte Manuskripte?«
    »Die meisten. Einige sind mir auch von Freunden zur Durchsicht gegeben worden. Aber ich habe alle Namen geschwärzt.«
    »Also ist nicht alles von gestörten Studenten?«
    »Der Großteil kommt – zu meiner wachsenden Sorge und Irritation – tatsächlich aus dieser Ecke. Aber den typischen Studentenkram müsstest du schon aus tausend Metern erkennen.«
    »Woran?«
    »Ach herrje, aus vielerlei Gründen.«
    »...«
    »Tja, wie soll ich sagen? Zum einen kreisen sie nur um sich selbst. Oder sie sind abgrundtief zynisch. Und wenn nicht zynisch, dann heillos naiv. Auf jeden Fall sind die Texte ziemlich prätentiös. Und natürlich grausam getippt.«
    »...«
    »Das Ganze ist zu bemüht, das muss man leider von fast allen sagen. Sie wollen etwas, was mehrere Klassen zu hoch für sie ist. Aber, Gott, siehst du schön aus vor dem hellen Teil des Fensters.«
    »Rick, woher soll ich wissen, ob etwas abgrundtief zynisch oder heillos naiv ist? Ich verstehe so gut wie gar nichts von Literatur.«
    »Erstens ist der überwiegende Teil der eingesandten Arbeiten nicht annähernd Literatur und, zweitens, auch nicht gut.«
    »Was ist denn gut?«
    »Gut ist, dass du nichts von Literatur verstehst oder zumindest glaubst, du verstündest nichts davon. Das bedeutet, du hast einen unverstellten Blick: frisch, intuitiv, nicht bis über beide Ohren voll gemüllt mit diesem ästhetischen Quark.«
    »Was ist mit meinen Ohren?«
    »Die Probleme beginnen, wenn Leute meinen, sie verstünden etwas von Literatur, im selben Moment sind sie eigentlich für die Literatur verloren und auch nicht mehr von Nutzen für diejenigen, die sie machen. Glaub mir, du bist hervorragend geeignet für diesen Job.«
    »Also ich weiß nicht ...«
    »Lenore, was ist los mit dir? Warst du nicht diejenige, die sich ausschließlich über das Wort definiert und sich sofort beklagt, wenn irgendetwas gegen ihr literarisches Empfinden verstößt?«
    »Ich möchte aber mein Privatleben von meiner Arbeit trennen. Ich möchte nicht, dass Walinda überall erzählt, ich hätte deinetwegen einen lauen Job ergattert.«
    »Aber das ist deine Chance, Walinda zu entgehen. Als I.ektorin brauchst du dir nichts mehr von ihr zu sagen lassen.«
    »Aber vor allem habe ich bei der Sache ein schlechtes Gefühl.«
    »Vertraue mir. Und hilf mir. Pass auf, wir sehen uns mal ein paar Beispiele an. Wie wär’s mit diesem elend getippten Machwerk hier? Lies doch einfach den Anfang, und sag mir, was du ...«
    »Das hier?«
    »Ja.«
    »Okay: ›Dr. Rudolph Carp, ein international angesehener Proktologe, führte an einem warmen Julimorgen gerade eine Routineuntersuchung durch, als ihm auffiel, dass er vergessen hatte, sich einen Untersuchungshandschuh anzuziehen. Mit Schrecken schaute er auf die ... vor ihm sich ...‹ ärks !«
    » Ärks , du sagst es. Solche Sachen wandern sofort in die Absage zu Mavis. Mavis kopiert dann einen dürren Formbrief, der geht dann zusammen mit dem Manuskript zurück an den Absender. Das war’s.«
    »Und was ist mit diesen Titeln hier? ›Tanz der Gehemmten‹? ›Die Fahrt zum Einkaufszentrum‹? ›Threnody Jones und die Ziege der Hölle‹? ›Der Klistier-Gangster und der kosmische Türöffner?‹ ›Liebe‹? ›Die Metamorphose der Achtziger‹?«
    »Letzteres ist in der Tat ziemlich interessant. Eine Kafka-Parodie, aber einfühlsam geschrieben. Der Selbsthass hinter unserer Promi-Kultur. Ebenfalls Uni-Literatur, aber interessant.«
    »›Als Greg Sampson eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Rockstar verwandelt. Als er den Kopf ein wenig hob, sah er seine Brust, rot und lederartig bekleidet und oben mit Pailletten besetzt, dort, wo auch die Fender-Gitarre panzerartig an seine lederne Schulter geschnallt war. Es war kein Traum.‹ Hmmm.«
    »Lies es in Ruhe zu Ende. Doch, es sind wirklich einige interessante

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