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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Geschäftszeiten weiß Gott mehr als genug vollwertige Anrufe erhalten. In ihre Plastiktüten flogen: ein beinahe zu Ende gestrickter Pullover mit schlabberigem Schildkrötenkragen, ihre Pantoffeln. Heraus kamen: ihre Straßenschuhe. Aus ging: ihre Anlage (und zwar durch gleichzeitiges Drücken der RELEASE- und BESETZT-Taste, eine spezielle Ruhefunktion ihrer CENTREX 28 CONSOLE, über die die F&V-Anlage nicht verfügte. Dort musste man, um das Telefon zum Schweigen zu bringen, noch zu einem Ratschenschlüssel greifen, eine Möglichkeit, von der Vern Raring in den toten Nachtstunden zuweilen Gebrauch machte.) Aus ging ebenfalls: ihre Lampe, wodurch die F&V-Hälfte in sanfterem Licht erschien. Heraus kam: ihr Haarnetz. Hinein flog: ihr Pfefferminz von Certs. Dann ging sie, indem sie Candy Mandible ein – unerwidertes – Luftküsschen zuwarf, nach Hause, um ihre Katze zu füttern.
    Rauchend wartete Candy auf Vern Raring, dessen Schicht um sechs Uhr begann. Sie versuchte, nicht auf die kleine Uhr über der Telefonanlage zu schauen, während sie Walinda Peahen, die gerade die letzten Stundenzettel ausfüllte (zur Weitergabe am darauffolgenden Tag, einem Freitag, an die Buchhaltung), die neueste Lang-Geschichte erzählte. Walinda war nicht in allerbester Stimmung, da sie in ihrem zweiten Job (bei Frequent-Freizeitanzüge) Überstunden hatte machen müssen, aber Candy Mandible war eine Frau, die die Launen anderer ignorierte, sofern sie nicht von ihr verursacht worden waren. Und da Walinda Peahen eine Frau war, die auf Menschen, die verständnisvoll auf ihre Missstimmung reagierten, ihrerseits noch gereizter reagierte, kamen sie gut miteinander aus. Nur dass Candy ihrer Freundin Lenore den Job in der Telefonzentrale verschafft hatte, war ein Wermutstropfen in der Candy-Walinda-Beziehung.
    »Schätze, wir müssen noch jemanden einstellen, nachdem sie sich nach oben geschlafen hat«, hatte Walinda gesagt.
    »Aber nur auf Zeit«, sagte Candy. »Schließlich ist der Lektoratsjob auch nur befristet. Sobald Mr. Vigorous die Stonecipheco-Sache erledigt hat, sitzt sie wieder hier unten.«
    »Wie?«, sagte Walinda und richtete einen umschatteten Blick auf Candy. »Komisch, ich dachte, es ginge um Norslan. Das hat mir Mr. Vigorous jedenfalls gesagt.«
    »Ja, aber Andy Lang hat mir gesagt, das wäre bloß die offizielle Version«, sagte Candy, indem sie sich leicht zur Seite drehte, um Walinda nicht den Rauch ins Gesicht zu blasen. »In Wirklichkeit arbeiten sie für Stonecipheco Babykost.«
    »Und ist das Zeug nicht ekelhaft?«, sagte Walinda. »Das war mal reduziert, und ich dachte, warum nicht? Aber mein Kind wäre ja fast gestorben, ehrlich. Das sieht dieser Leonore ähnlich, dieses Dreckszeug herzustellen. Und alles nur für Geld.«
    »Lenore macht es ja nicht, Walinda, das weißt du«, seufzte Candy. »Und du weißt auch, dass sie oben nicht die Welt verdient. Und bitte denk dran, nur etwas Befristetes.«
    Walinda sagte nichts, und Candy begann mit ihrer Lang- Geschichte.
    »Was für Schoten der bringt«, sagte sie. »Ich hätte mich beinahe weggeschmissen vor Lachen.«
    Walinda hackte auf die Rechenmaschine ein und sagte nichts.
    »Ich weiß, du konntest nicht kommen«, fuhr Candy fort. »Aber Bombardini hatte eben diese Versammlung angeordnet, von beiden Firmen im Haus. Du hast ja das Rundschreiben auch gekriegt.«
    »Ja, habe ich. Angeblich hat der Fettsack nur über das Haus geredet.«
    »Es war bizarr, mehr fällt mir dazu nicht ein. Er saß auf diesem Trageding, wo acht Mann nötig waren, um es zu halten, aber solche Kleiderschränke, Lendenschurz und alles. Und labert was von, die fetten Jahre seien vorbei und wir alle müssten jetzt den Gürtel enger schnallen, platzmäßig, weil der verfügbare Raum in dem Gebäude für alle weiter abnehmen würde, und dann ist es auf einmal nicht mehr nur das Gebäude, sondern der Platz überhaupt, meinte er, der für uns ständig weniger würde, als würde die Welt immer kleiner oder so. Dabei hat er dieses teuflische Glitzern in den Augen. Vor allem ist er so fett geworden, mindestens tausend Pfund mehr seit dem letzte Mal, schätze ich. Und glotzt die ganze Zeit Lenore an, als wollte er sie fressen, und macht alle möglichen Andeutungen, von wegen wer jetzt auf das richtige Pferd setzt, für den ließe sich vielleicht noch was machen, platzmäßig. Seit seine Frau ihn wegen eines Joghurt-Vertreters sitzen gelassen hat, ist er nur noch hinter Lenore her, schickt ihr fast jeden Tag

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