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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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vorliegenden Fall auf Ihre Verschwiegenheit – anders als bei den anderen Angehörigen draußen im Lande.«
    »Verstehe.«
    Mr. Bloemker holte tief Luft und rieb sein Goldauge mit einem weißen Finger. Staub erhob sich um seine Person und begann zu rotieren. »Ergänzend zum Sachverhalt der vorübergehenden Unaufhältigkeit einer Hausbewohnerin, in diesem Fall Lenore, die von Ihnen verständlicherweise als belastend empfunden wird, muss gesagt werden, dass Lenore, sei es beim Personal, sei es bei den anderen Hausbewohnern, sei es durch ihre persönliche Ausstrahlung oder durch ihre nicht alltäglichen Fähigkeiten, einen Ruf genoss, der billigerweise den Schluss nahe legt, dass, sollte die festgestellte Dislozierung der Hausbewohner in Tat und Wahrheit nicht auf eine gewaltsame Einwirkung seitens eines oder mehrerer Dritter zurückzuführen sein, was mir persönlich unwahrscheinlich erscheint, die Auffindung und Wiederbeschaffung von Lenore gleichbedeutend sein könnte mit jener der anderen derzeit unaufhältigen Parteien.«
    »Ich verstehe kein Wort.«
    »Ich sage es mal so: Ihre Urgroßmutter war hier so etwas wie der Anführer.«
    »Ach.«
    »Aber das wussten Sie sicher.«
    »Nein, das wusste ich nicht.«
    »Aber Sie waren doch hier«, er schaute auf ein Blatt Papier auf dem Schreibtisch, »oft mehrmals pro Woche und nicht selten sogar über längere Zeit ... Räume.«
    »Aber wir haben uns nicht darüber unterhalten. Jedenfalls nicht über irgendwelche Anführungs ... Qualitäten. Und bei der Hitze in ihrem Zimmer war auch nie jemand da.« Lenore schaute auf ihren Turnschuh. »Außerdem war auch meine einfache Großmutter Bewohnerin dieses Hauses. Abschnitt J., Lenores Schwiegertochter.«
    »Concarnadine.«
    »Ja. Aber wenigstens sie ... wenigstens sie ist noch da, oder?«
    »Natürlich, natürlich«, sagte Mr. Bloemker, sah kurz auf seine Unterlagen, dann wieder zu Lenore. »Soweit ich weiß. Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.« Er nahm den Telefonhörer, wählte eine Hausverbindung. Dreistellig bedeutet keinen Wandler. Mit einem offiziellen Unterton, der Lenore entging, fragte Mr. Bloemker jemanden nach etwas. »Danke«, hörte sie ihn sagen. »Ja.«
    Er lächelte. »Wir schauen besser selber nach.«
    Lenore hatte einen Einfall. »Vielleicht gehen wir zuerst zu Lenores Zimmer. Vielleicht fällt mir etwas auf.«
    »Das wollte ich gerade vorschlagen.«
    »Alles in Ordnung mit Ihrem Bart?«
    »Wie bitte? Ja, ich bin nur etwas nervös. Immerhin bietet der Sachstand Anlass zur ...« Mr. Bloemker entfernte seine Hände aus dem Bart.
    »Also gehen wir?«
    »Sicher, sicher.«
    »Oder soll ich erst meinen Vater anrufen?«
    »Tut mir Leid, aber mit diesem Telefon bekomme ich keine Amtsleitung.«
    »Ach so. Das hätte ich nicht gedacht.«
    »Nach Ihnen.«
    »Danke.«
│e│
    Das Wohnheim zerfiel in zehn Abschnitte, Bereiche genannte, fünfeckige Gebäudeteile mit wer weiß wie vielen Patienten. Die Bereiche waren kreisförmig angeordnet und daher jeweils nur über die unmittelbaren Nachbarbereiche zugänglich. Oder über den kiesbestreuten Innenhof mit dunklen Pflanzen und einem Becken, in dem verschiedenfarbiges Wasser unermüdlich in konzentrischen Kreisen strömte, ohne sich zu vermischen, was durch ein ausgeklügeltes System von transparenten Kanälen und Trennwänden bewerkstelligt wurde. Rund um das Becken die massiven polierten Holzskulpturen von Dschungeltieren sowie verdienten Mitgliedern der Taft-Familie sowie Stonecipher Beadsman I, II und III. Damit die Pflanzen Licht bekamen, die Wasser-Farben aber nicht verwässerten, war das Ganze mit Plexiglas überdacht. Die hofseitig gelegenen Wände der einzelnen Abschnitte waren ebenfalls verglast, die schöne Aussicht musste reichen, denn das Betreten des Innenhofs durch Hausbewohner war grundsätzlich verboten. Zu gefährlich der Kieselgrund, der Beine und Krücken verschluckte, Rollstuhlreifen verschmutzte und Spaziergänger zum Sturz einlud – Leute mit Hüftgelenken aus Zucker, wie Lenore einst zu Lenore gesagt hatte.
    Mr. Bloemker ging voran, erst durch einen kurzen Flur, dann durch eine Tür, dann an der verglasten Hofseite des Bereichs entlang, ein Spießrutenlauf auf der Umgehungsstraße der Rollstuhl-Gestalten, dann hinaus durch eine gläserne Schiebetür und hinein in den tropischen Innenhof mit seinen knirschenden Kieseln, dann noch eine Schiebetür und noch einmal ein kurzes Stück auf der Umgehungsstraße von Bereich F, bis sie am Zimmer

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