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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Arm vor die Stirn wie die verfolgte Unschuld, und Misty ritt auf dem Rücken des Wals, wobei sie, mit weit aufgerissenem Mund und ebensolchen Augen, so tat, als gäbe sie ihm die Peitsche. Das Foto hing ohne Rahmen direkt neben dem Bild. Das war's in puncto Wände, außer dem Fernsehschirm, der aber Langs Anschaffung war.
    Lenore hielt nach Lang-Sachen Ausschau. Neben dem Bett (so straff gemacht, dass Lenore einen Moment lang überlegte, ob sie nicht die Halbdollar-Probe machen sollte) befand sich eine volle Stofftasche, aus der sich Sachen auf den Boden erbrachen, über den teilweise eine sorgsam gefaltete Decke gebreitet war, als sei er in Eile gewesen. Auf dem Bett lagen Hemden und weiße Socken, alle noch in ihrer Verpackung. Mehr gab es nicht von ihm. Das allein machte dieses Zimmer noch nicht zu Langs Zimmer, dachte sie.
    »Na, so richtig zu Hause bist du hier noch nicht«, sagte sie, als Lang zurückkam, die Hände voller Dosen und Gläser. Sie sah ihm zu, wie er alles vorsichtig auf dem Glastisch absetzte.
    »Dafür ist es sauber und nicht teuer. Außerdem sind die Nachbarn ein echter Gewinn«, grinste Lang.
    »Nein, ich meine von der Ausstattung her. Ich sehe dich eigentlich nicht in einem Zimmer mit schwedischen Möbeln und Bildern von Quadraten.«
    Lang ließ sich auf die Couch fallen und sah einen Augenblick lang auf den leeren weißen Fernsehschirm. »Und in welcher Art von Ausstattung siehst du mich?« Er kniff die Augen zusammen und riss die Lasche aus der Weindose.
    Lenore strich mit der Hand über den Sims von Misty Schwarz' kaltem Kamin. »Ich weiß auch nicht.« Sie lächelte vor sich hin. »Eher was mit klassischen Ledersesseln. Und Leopardenfell und grimmigem Bärenkopf. Und Postern aus frivolen Männerkalendern...« Sie drehte sich um. »Vielleicht noch eine teure Stereoanlage mit glänzenden Knöpfen und eine Deckenbeleuchtung, wo man die Helligkeit verstellen kann ...«
    Lang lachte und schlug sich mit der Hand aufs Knie. »Potztausend, du hast soeben mein altes College-Zimmer beschrieben.«
    »Ach, tatsächlich?«
    »Du hast bloß die Jagdtrophäen an der Wand vergessen«, sagte Lang und ließ seine Brauen spielen.
    Lenore lachte. »Die Trophäen, richtig. Wie konnte ich nur?«
    »Und den Spiegel an der Decke ...« Lang senkte den Blick und hielt ihr dann ein Glas hin. »Etwas Vino gefällig?«
    Lenore ging zur Couch.
    »Hab leider keine Weingläser gefunden, aber diese hier tun's vielleicht auch. Ich hoffe, das ist okay ... solange wir sie später spülen.« Es waren die Roadrunner-Gläser, die Candy Mandible bei einer Werbeaktion einer Fastfood-Kette bekommen hatte.
    Lenore nahm ein Glas Wein. »Ist schon okay. Sie gehören Candy. Mit ihren Sachen ist sie ziemlich großzügig. Aber das weißt du ja.« Sie setzte sich in den weißen Sessel, wobei sie sorgfältig ihr Kleid lang zog, damit das Leinen nicht die Haut ihrer Beine berührte. Sie schlug ein Bein über.
    »Dachte mir schon, dass sie entweder ihr oder dir gehören. Oder der armen alten Misty Schwarz«, sagte Lang. »Aber die braucht zurzeit keine Gläser.« Er lehnte sich zurück. »Übrigens, ich habe ihr eine Karte ins Krankenhaus geschickt, wegen des Zimmers und um mich vorzustellen und ihr gute Besserung zu wünschen und so.«
    »Nett von dir«, sagte Lenore und ergriff das Glas. Der Wein war gelb, süß und so kalt, dass ihre Zähne wehtaten. Sie stellte das Glas auf den Tisch zurück, wobei sich auch das Geräusch von Glas auf Glas in ihren Zähnen schmerzhaft bemerkbar machte.
    »Ist doch nichts«, sagte Lang und schlug ebenfalls ein Bein über, aber so, dass der Knöchel, den er mit seiner großen Hand festhielt, auf dem Knie lag. »Echt nicht«, sagte Lang. »Nur höflich. Melinda Sue ist mal etwas Ähnliches passiert, nur nicht ganz so schlimm. Aber eine Woche unter Schichten von Brandsalbe reicht wohl.«
    »Klingt nicht gut, nein.«
    »Musst du mal deiner Schwester sagen. Das ist ja lebensgefährlich.«
    »Mach ich.«
    »Und wie ist der Wein?« Lang hielt das Glas ins Licht der Deckenbeleuchtung und versuchte, den Wein zu sehen hinter dem Bild eines jaulenden Kojoten, der einen winzigen Regenschirm gegen einen niedersausenden Felsblock ausstreckte.
    »Kalt«, sagte Lenore.
    »Mm-mmm«, sagte Lang. Erneut sah er hinüber zu dem weißen Fernsehschirm. »Ich vermute, dass du ›Dallas‹ nicht sehen willst.«
    »Ich habe es kurz angemacht«, sagte Lenore. »Es ist nicht meine Serie, was nicht heißen soll, dass sie schlecht

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