Der Besen im System
ist oder so. Wenn du gucken willst, mach nur. Ich guck mir ja auch sonst alles Mögliche an, jedenfalls eine Zeit lang.«
»Muss nicht«, sagte Lang. Er zog sein Sakko aus, stand auf und hängte das Sakko auf. Lenore betastete ihre Haare. Der Wein trieb Adern kribbelnder Wärme in Arme und Beine. Sie hielt ihr Glas gegen das Licht. Auf ihrem Glas war der Roadrunner, mit Beinen, die in einem diffusen Bewegungswirbel untergingen. Die kurvige Strecke hinter ihm sah benutzt und gummiartig aus vor den braunen Hügeln irgendeiner Wüste. Da waren Kakteen.
»Darf ich fragen, woher denn die vielen Lose in deiner Handtasche kommen?«, sagte Lang und setzte sich, jetzt aber auf den Rand der Couch und so nah an Lenores Sessel, dass sie sich beide in dem Glastisch sehen konnten, wenn sie hinunterschauten. Er schaute hinunter auf sie. »Wen von euch hat denn der Spielteufel gepackt?«
Lenore lachte. »Candy und ich spielen viel. Und viel heißt viel .« Sie wischte sich eine Strähne aus dem Auge, und Lang sah ihr dabei zu. »Echt, viel. Aber wir spielen nach System, das heißt, wir nehmen immer unsere Geburtstage oder die Buchstaben in unseren Namen und dergleichen. Ohio hat eine gute Lotterie.«
Lang trank. »Schon mal was gewonnen?«
»Kommt schon noch«, sagte Lenore. Sie lachte. »Alles ging im College los, aus Spaß. Im Philosophiekurs stießen wir auf einen Syllogismus, der anscheinend bewies, dass wir auf jeden Fall gewinnen würden ...«
»Syllogismus?«
»Ja«, sagte Lenore. »Syllogismus, das ist eine kleine Beweiskette.« Sie lächelte Lang an und hielt ihre Finger hoch. »Eins: Jemand muss in der Lotterie gewinnen. Zwei: Ich bin jemand. Drei: Deshalb werde ich in der Lotterie gewinnen.«
»Shit.«
Lenore lachte.
»Und warum scheint es zu funktionieren, wenn es nicht funktioniert, da ihr ja noch nicht gewonnen habt?«
»Das nennt man ein Paradox. Mein Bruder hat mir mal das Gegenteil bewiesen, als er sich über mich geärgert hat. Es hat mit Mathematik zu tun.« Lenore lachte wieder. »Das Ganze ist wahrscheinlich ziemlich blöd, aber Candy und mir gibt es immer noch was.«
Lang spielte mit den Haaren auf seinem Knöchel. »Also Phi-lo-so-phie.« Er zog das Wort in die Länge.
»Philosophie und dann noch Spanisch«, nickte Lenore. »Ich habe zwei Hauptfächer belegt.«
»Ich habe Be-triebs-wirt-schaft studiert«, sagte Lang und tat es wieder.
Lenore ignorierte das. »Habe ich auch einmal versucht«, sagte sie. »Dad wollte das unbedingt.«
»Aber du hast gesagt: nein danke.«
»Nein, ich habe es einfach nicht gemacht. Gesagt habe ich gar nichts.«
»Respekt«, sagte Lang, schenkte in beide Gläser Wein nach und zerdrückte die Dose. Er warf sie quer durch das Zimmer in einen Papierkorb. »Ehrlich, so etwas bewundere ich«, sagte er.
»Bewundern, was?«
»Nur sehe ich dich nicht als Phi-lo-so-phin«, sagte er. »Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, in Melinda Sues Zimmer damals, dachte ich: Künstlerin. Im Ernst. Ich dachte sofort: Künstlerin.«
Der Wein war jetzt etwas wärmer. Lenore unterdrückte ein Husten. »Künstlerin bin ich bestimmt nicht. Höchstens Clarice, die hat so etwas wie eine künstlerische Ader. Und Philosophin war ich auch nie, ich habe nur Philosophie studiert.« Sie schaute in den Tisch. »Aber warum kannst du dir das nicht vorstellen?«
»Keine Ahnung«, sagte Lang, streckte einen Arm über die Couchlehne aus und streichelte den Stahlrahmen. Lenores Nacken verspannte sich zunehmend. Sie hatte den Eindruck, sie konnte Lang von vielen verschiedenen Seiten sehen: sein Profil direkt neben ihr, dann das Spiegelbild im Glastisch, sein anderes Profil im Fenster hinter der Couch und im Fernsehschirm. Er war überall, so schien es.
Lang sagte: »Na ja, man hat eben so ein Bild im Kopf, wie Philosophen aussehen: Typen mit Bart und Brille und Sandalen mit Socken, die den ganzen Tag furchtbar schlaue Sachen sagen.« Er grinste.
»Das ist einfach nur falsch «, sagte Lenore und beugte sich weiter nach vorn. »Die, die ich kenne, sehen so was von gar nicht danach aus, das glaubst du nicht. Und zumindest die guten spielen sich auch nicht so auf. Sie sind viel eher wie Physiker oder Mathema...«
»Erdnüsse?«, fragte Lang unvermittelt.
»Nein danke«, sagte Lenore. »Aber wenn du welche haben willst ...«
»Muss nicht. Hängen einem später eh nur zwischen den Zähnen.«
»Bei mir auch. Ich kann das nicht leiden, wenn Erdnüsse das tun.«
»Aber red weiter, ich habe dich
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