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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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hinfahre und nach Lenore suche.« Sie hatte ihre Hand auf Langs Wange gelegt. »Ich bin mittlerweile viel zu müde und genervt, um mich deswegen zu streiten«, sagte sie. »Außerdem ist das eine gute Gelegenheit, um mit Rick zu reden.«
    »Bitte sei nicht zu hart zu ihm, Lenore«, sagte Lang. Er strich mit seinem Daumen von oben bis unten über Lenores Bein, dass ihre Augen wieder anfingen zu zucken.
    Lang sagte, er habe das Gefühl, bezüglich Lenores Großmutter werde jetzt alles gut. Er sagt, er habe das im Gefühl. Aber er sagte auch, Lenore solle nicht in die G. O. D. fahren.
    »Niemand findet irgendjemanden an einem solchen Ort wieder«, sagte er. »Da gehst du nicht einfach hin und suchst nach einem. So etwas passt einfach nicht in das Konzept einer solchen Wüste.«
    »Zumindest kann ich ungestört mit Rick reden«, sagte Lenore.
    »Mm-mmm«, sagte Lang.
    Leise Musik drang jetzt aus dem Fernseher. Köpfe wechselten sich ab. Lang hatte, etwa in Höhe ihrer Hüfte, einen Finger unter das Gummiband ihres Slips geschoben. Lang sagte, die Kurve von Lenores ganz persönlicher Hüfte mache ihn wild. Abermals küsste er ihren Hals.
    Lang sagte, der Anblick von Großmüttern mache ihn furchtbar traurig. Er sagte, Großmütter seien seiner Meinung nach arme Geschöpfe, vor allem die ganz alten, weil die immer alle möglichen Malessen hätten. Er erinnere sich, sagte er, an die Mutter seines Vaters in einem texanischen Altersheim der Sechzigerjahre. Er sagte, sein Großvater sei verstorben und sie hätten Großmutter zu sich nach Hause geholt, aber dass es nicht geklappt hätte zwischen ihnen, sogar als man für die Pflege eine Krankenschwester angeheuert habe, die jeden Tag gekommen sei, und dass sich Langs Vater und Großmutter eines Tages hingesetzt hätten, und Langs Vater hätte ihr eröffnet, jetzt sei Schluss, jetzt müsse sie ins Altersheim.
    »Und sie war richtiggehend gebrechlich«, sagte Lang. »Ich weiß noch, sie konnte kaum noch laufen, und ihre Augen wurden mit der Zeit immer weißlicher. Und dass sie ins Altersheim sollte, gefiel ihr gar nicht. Aber sie hat genickt, als mein Daddy ihr das gesagt hat. Man sah, dass ihr klar war, dass es so nicht weiterging.«
    »Und natürlich haben wir sie jeden Samstag im Altersheim besucht«, sagte Lang. »Diese Besuche waren eine feste Einrichtung, und mein Vater versuchte ernsthaft, ihr ein guter Sohn zu sein. Das Altersheim war in Fort Worth, und wir mussten den Wagen nehmen. Mein Vater war immer dabei, fast immer ich und manchmal meine Mutter und mein Bruder. Also stiegen wir in den Wagen und fuhren hin, bis wir an dem großen Tor ankamen und dann über den langen windigen Kiesweg gehen mussten, bis wir wirklich da waren. Aber das Altenheim war wirklich nicht schlecht. Und echt teuer. Also wenn man das so sah, rein äußerlich, konnte man gegen die Betreuung nichts sagen.«
    Lenore nickte, und Lang berührte ihre Lippen.
    »Aber schon der Weg dorthin war irgendwie unheimlich, erst recht, wenn man auf das Altenheim zufuhr, das auf einer Art Hügel lag, aber das lag wahrscheinlich daran, dass mein Vater in seinen Autos immer diese Color-Verglasung hatte, denn wenn man durch diese Scheiben auf das Altersheim sah, sah es immer so aus, als würde es gleich anfangen zu regnen oder ein Gewitter stünde bevor. Auf jeden Fall sah alles ziemlich düster aus«, sagte Lang. »Und wenn wir über den Kiesweg gingen, sahen wir sie schon von weitem, denn sie saß jedes Mal am Eingang und wartete auf uns. Der Eingang war übrigens auch sehr schön und richtig hoch. Eigentlich sahen wir sie schon von der Straße aus, denn sie hatte so hellweiße Haare, die man schon meilenweit vorher sehen konnte, und einen Rollstuhl. Jedenfalls, sie saß da, und wir stiegen aus dem Wagen und besuchten sie. Sie war immer froh, uns zu sehen, und wir waren natürlich auch froh, sie zu sehen, aber es war natürlich auch ein Pflichtbesuch, daran bestand kein Zweifel, und an manchen Samstagen war ich richtig sauer darüber, weil ich anderen Scheiß zu tun hatte, ich war schließlich schon acht.« Lang nahm seine Hand von Lenores Hüfte und strich vorsichtig über ihre Brüste. »Aber der Besuch im Altersheim war eben eine feste Einrichtung, und sie erzählte uns, was sie so die Woche über gemacht hatte, was nie lang dauerte, weil sie kaum etwas anderes machte als Topflappen häkeln, das weiß ich noch, Topflappen für meine Mutter, etwa einen pro Monat. Ihre Hände ruckten immer so, als wäre ihr

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