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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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nur zu gut vorstellen kann, was sich im selben Augenblick auf dem Fußboden abspielt.«
    »Ich wette, wir haben im Augenblick genau siebenunddreißig Grad, meinst du nicht? Ich weiß nicht, wie es nachts ist, aber tagsüber könnte Lenore hier gut existieren. Na ja, vielleicht greife ich auch nur nach dem letzten Strohhalm. Glaubst du, ich greife nach dem letzten Strohhalm?«
    »Aber siehst du, ein Großteil seiner Verzweiflung rührt auch daher, dass er seiner geradezu schmerzlich schönen Frau nicht einmal einen Vorwurf machen kann. Er weiß ja, worunter seine Frau leidet. Er weiß, dass sie etwas braucht, was er ihr, zwar ohne eigenes Verschulden, aber dennoch zweifellos nicht geben kann. Stell dir nur seine Verzweiflung vor, Lenore. In seiner aller Eindrücke beraubten Isolation bräuchte er ganz besonders einen emotionalen Lebensmittelpunkt, ein Objekt totaler Verehrung, seine Verlobte, ja, er bräuchte sie sogar mehr als jemals zuvor, und doch weiß er, dass gerade sein hilfloser, ungenügender Zustand, ein Zustand, an dem er null Schuld trägt, dass dieser Zustand seine Frau, die er ja verehrt, immer weiter von ihm entfernt. Aber er vergibt ihr, Lenore. Ja, er vergibt ihr. Auch wenn ihm von da an jede Minute seines Lebens zur unbeschreiblichen Qual wird.«
    »Was ist denn hier los, Rick?«
    »Er vergibt ihr, Lenore. Aus den eisigen Tiefen seiner hilflosen Isolation und brennenden Liebe reicht er ihr die theoretische Hand der Vergebung, um …«
    »Aua!«
    »Ach bitte, entschuldigen Sie.«
    »Mensch, pass doch auf.«
    »Tut mir wirklich sehr Leid.«
    »Die Scheißleute überall. Komm Rick, wir gehen. Das ist doch alles Blödsinn, Lenore ist nicht hier.«
    »So geht erst einmal alles so weiter. Schließlich findet der Bruder des theoretischen Dentisten, ein Immobilienanwalt aus Philadelphia, die Zeit, seine gut gehende Kanzlei und sein erfülltes Privatleben zu verlassen, um die leblose Hülle des theoretischen Dentisten zu besuchen. Und da auch der Bruder bei den Pfadfindern war, bereitet ihm die Morse-Kommunikation mit der leblosen Hülle des Dentisten keinerlei Probleme, obwohl der Empfang von Nachrichten aus der leblosen Hülle immer noch wahnsinnig umständlich ist. Wir werden also Zeuge wahnsinnig kodierter Gespräche zwischen den beiden am Krankenbett, während sich die Frau, zerfressen von nur zu verständlichem Selbsthass und aus Angst, den unglaublich gut aussehenden Immobilienanwalt-Bruder anzugraben, in der Wohnung des bösen blonden Psychologen vergräbt und wie verrückt bumst und sich zwischendurch im Fernsehen Turnsportveranstaltungen ansieht, deren Symbolgehalt dem Leser nicht entgehen dürfte.«
    »Okay, Rick, das reicht. Lass diese blöden Anspielungen. Wir müssen reden.«
    »Worauf du deinen hübschen Arsch verwetten kannst.«
    »Warum können wir nicht ohne Umwege miteinander reden? Das ist ja gespenstisch.«
    »Aber weißt du, am Ende kann diese Frau nicht anders, sie merkt, dass sie, egal welche körperlichen Bedürfnisse sie aufgrund ihres schwach ausgebildeten Selbstbewusstseins auch haben mag, sie merkt, dass sie und der Dentist auf einer sehr viel tieferen und in gewisser Hinsicht auch erfüllenderen Ebene zusammengehören, nämlich einer zutiefst emotionalen Ebene, und sie läuft ins Krankenhaus, schubst Schwestern und Pfleger auf dem Gang einfach zur Seite, stürzt ins Zimmer des theoretischen Dentisten, nur um zu ihrem Schrecken zu sehen, dass der Bruder des Dentisten sich soeben über den Dentisten beugt, um dem Dentisten mit einem Pfadfindermesser die Oberlippe zu entfernen.«
    »Ach komm.«
    »Worum der Dentist nämlich, wie sich später herausstellt, ausdrücklich gebeten hat. Was in diesem Kontext natürlich jedem einfühlsamen Leser unendlichen Stoff zum Nachdenken gibt. Und die Frau schreit auf, und die soeben beiseite geschubsten Schwestern und Pfleger hinterher, und sie alle halten den Bruder fest, der daraufhin abgeführt wird, und die geradezu schmerzlich schöne Frau bricht über der zermetzelten Oberlippe des Dentisten förmlich zusammen. Trotzdem versucht sie, die Blutung zu stoppen und die Lippe zu retten, und schlägt um sich, als Ärzte sich die Wunde ansehen wollen, und tippt immer wieder in die klaffende Verletzung, dass es ihr Leid tut und dass er ihr, bitte, bitte, verzeihen möge. Und durch seinen Schmerz hindurch spürt der hilflose Dentist ihr Tippen, und es bricht ihm fast das Herz dabei, und das, obwohl er weiß, dass es sinnlos ist und dass die

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