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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Frau ist beinahe ständig bei ihrem Dentisten und tippt ihm McTeague vor, so auch, als der Psychologe zum ersten Mal im Krankenzimmer steht.«
    »Hier macht der See eine Biegung. Der Wanderweg ist zu Ende.«
    »Der Psychologe beginnt also damit, dem Dentisten die neusten Nachrichten aus der Welt der Zahnheilkunde auf die Lippen zu tippen, während die Frau mit Tränen der Dankbarkeit in den Augen an der Tür steht. In Wirklichkeit aber tippt der Psychologe dem Dentisten nur aufs Geratewohl völlig sinnloses Zeug auf die Lippen, ja, es ist ihm scheißegal, was er tippt, worüber der gelähmte, taubstumme und blinde Dentist natürlich enorm verwirrt ist in seiner ewigen, jedes Eindrucks beraubten Nacht und deshalb versucht, die Lippe zu bewegen, um seiner Frau seine Verwirrung mitzuteilen, zu fragen, was das Problem ist, was dieses Kauderwelsch zu besagen hat, doch der Psychologe verwickelt die Frau geschickt in ein Gespräch, flirtet sogar mit ihr und stößt auf offene Ohren, denn die Frau hat jetzt seit längerer Zeit so sehr ohne erotische Aufmerksamkeit oder Aktivität auskommen müssen, dass sie unbewusst danach lechzt und entsprechend abgelenkt, ja, sogar leicht hin- und hergerissen ist, auf jeden Fall aber abgelenkt, zumal die Lippenbewegung des theoretischen Dentisten auch so winzig klein ist, dass sie sie nicht sieht, und so empfängt der Dentist einen mehrstündigen Buchstabensalat pro Tag, bis der Psychologe eines Tages dazu übergeht, ihm einen eigens einstudierten Morsesatz einzutippen, des Inhalts, dass er die geradezu schmerzlich schöne Frau des gelähmten Dentisten gleich bumsen werde, bis Blut kommt, dass er sie ihm wegnehmen werde und dass sie deshalb den Dentisten in seiner ewigen, aller Eindrücke beraubten Nacht allein lassen werde und dass es nichts gebe, was der jämmerliche, gelähmte und hilflose Dentist dagegen tun könne, denn er sei ebenso machtlos wie sexuell ungenügend.«
    »Lieber Himmel, Rick, was ist das?«
    »Ich verspreche, wir werden uns mit diesem Text noch befassen. Erst einmal hör weiter. Nach Erhalt dieser Morsebotschaft verfällt der Dentist in einen Zustand tiefer Depression und stellt seine wenn auch nur winzig kleinen Lippenbewegungen ganz ein, selbst als die Frau ›Ich liebe dich‹ tippt. Die schmerzlich schöne Frau wertet diese Veränderung als weiteres Indiz körperlichen Niedergangs in dem Dentisten, und auch sie verfällt in einen Zustand der Depression, die ihre ursprüngliche Neurose noch verschlimmert, weswegen sie den dämlichen sexuellen Avancen des bösen blonden Psychologen immer weniger Widerstand entgegenzusetzen vermag, von denen viele direkt im Krankenzimmer stattfinden, unter den blinden Augen des taubstummen, aller Eindrücke beraubten Dentisten.«
    »Blond? Ein blonder Psychologe?«
    »Positiv.«
    »Sag mal, warum finde ich die Geschichte eigentlich so ätzend?«
    »Weil du dich innerlich damit beschäftigst. Weil deine Intuition sie als bedeutsam einstuft.«
    »Was hat meine Intuition mit dieser Geschichte zu tun?«
    »Der Weg ist zu Ende, hier geht es nicht weiter. Sollen wir nicht doch in die Innere Wüstenei? Ich habe das Gefühl, dass wir dort finden, was immer wir suchen. In der Inneren Wüstenei, im Herzen der Wüste, Lenore. Was meinst du?«
    »Nein, gehen wir lieber zurück. Meine Nase tut weh. Ist eh alles Zeitverschwendung. Zumindest können wir uns so den See ansehen.«
    »Herrgott, schon wieder dieser See. Der See, das sind nur ein paar Leute, die nach schwarzem Fisch angeln. Wer will schon einen See?«
    »Rick, warum schwitzt du denn so? Es ist heiß, aber so heiß nun auch wieder nicht. Alles in Ordnung mit dir?«
    »...«
    »Rick, ich habe dich gefragt, ob alles in Ordnung ist?«
    »Nein, aber vielleicht liegt das nur daran, dass ich versuche, mich mit einer schwierigen und emotional höchst komplexen Geschichte zu befassen ... und dabei mit deiner absoluten Gefühllosigkeit konfrontiert bin, du Schlampe.«
    »Was?«
    »Tut mir Leid.«
    »Was hast du zu mir gesagt?«
    »Bitte, vergiss, dass ich überhaupt etwas gesagt habe. Gehen wir am See entlang zurück.«
    »Hör mal, Freundchen, wir müssen jetzt reden. Und ich meine jetzt .«
    »Vertrau mir.«
    »Was machen wir überhaupt hier? Andy hatte Recht.«
    »Habe ich nicht ein kleines bisschen Vertrauen verdient?«
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    »Mir gefällt das nicht«, sagte Lang. Er hockte vorn im Bug, stützte die Ellenbogen auf seine Knie und schaute durch sein Fernglas. »Das gefällt mir ganz und

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