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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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flitzen so über den Boden. Mäuse kriechen in Sachen rein und nagen daran. Mäuse kitzeln.
    JAY: Und sind wohl auch nicht sehr reinlich, nicht wahr?
    RICK: Dr. Jay, ich schwöre, ich habe das Thema Waschzwang nur ein einziges Mal erwähnt. Muss ich Ihnen erst eine kleben?
    JAY: Sie reden nicht gern darüber, stimmt’s?
    RICK: Achtung, Klebe-Alarm.
    JAY. Na gut, lassen wir das. Ihr Wohlbefinden steht für mich an erster Stelle.
    RICK: So würde ich das auch sehen.
    JAY: Und worüber wollen Sie dann reden?
    RICK: Über Lenore.
    JAY: Wenn Sie erlauben, ich halte das heute nicht für angezeigt.
    RICK: Wie?
    JAY: Es ist nur so, dass Lenore und ich heute einige große Schritte weitergekommen sind. Ich konnte den Durchbruch förmlich riechen, aber deutlich.
    RICK: Nicht schon wieder.
    JAY: Ich wollte aber nicht weiter in sie dringen, sondern warten, bis sie von selber kommt.
    RICK: Das haben Sie schön gesagt.
    JAY: Ich sehe, Sie sind noch immer eifersüchtig. Sie glauben nach wie vor, ich sei an Lenore interessiert, sexuell interessiert?
    RICK: Ich –
    JAY: Rick, wann werden Sie gefühlsmäßig die Botschaft verdauen, dass Eifersucht nur eine fehlgeleitete Projektion der eigenen Unsicherheit ist? Oder besser: die Projektion eines Identitätsproblems. Oder noch besser: die Projektion eines Reinlichkeitszwangs.
    RICK: Doktor, Sie öden mich an.
    JAY: Rick, Sie sind manchmal ein solcher Dummkopf. Denken Sie an den Traum der vergangenen Nacht. Denken Sie an den Abend mit Lenore, wenn ich recht informiert bin, ein Abend erst mit erfüllendem Geschlechtsverkehr, dann einer Geschichte, dann einem Streit. Und dann der Traum. Kümmern wir uns um den Traum. Den schwarzen Sand, die Skorpione. Wo, glauben Sie, spielt der Traum?
    Schweigen seitens Rick Vigorous .
    JAY: Nicht so leicht, was? Aber ich verrate es Ihnen: in der G. O. D., wo sonst? Zugleich auch in Mexiko. Was so viel heißt wie: das Hier des träumenden Unbewussten. Ein Lincoln mit Luxusausstattung in einem wüsten Land. Das Selbst und das Andere. Gegensätze. Innenwelt gegen Außenwelt. Dumm nur, dass die Klimaanlage kaputt ist. Die Außenwelt dringt herein. Die Hitze, das ist die Außenwelt. Sie dringt ins Innere vor, weil das Innere kaputt ist. Das Innere kann die Trennung nicht mehr aufrechterhalten. Das Innere lässt das Äußere herein. Und was geschieht mit Ihnen? Sie schwitzen . Ihnen ist heiß, Sie schwitzen. Was also macht die Außenwelt mit Ihnen? Sie macht Sie schmutzig . Sie besudelt das Selbst mit dem Anderen. Es dringt durch Ihre Schutzhülle. Und wenn diese Schutzmembran das ist, durch das sowohl das Du als auch das Nicht-Du definiert ist, das heißt voneinander abgegrenzt ist, was sagt das jetzt über Sie, wenn das Nicht-Du die Schutzmembran durchdringt?
    RICK: Sie müssten sich jetzt sehen, Doktor. Sie sind ja schon am Sabbern.
    JAY: Es verunsichert Sie, nicht mehr und nicht weniger. Es offenbart eine Sicherheitslücke, besser gesagt ein Sicherheits leck . Folge: Die Kommunikation bricht zusammen. Sie sind verwirrt, misstrauisch. Worte verlieren ihre normale Bedeutung. Ein mexikanisches Hotel mit einem englischen NO-VACANCY-Schild, ist das nicht sonderbar? Eine Person, ein Anderer, verwandelt sich in ein bedrohliches Tier, eines, das in Sachen hineinkriecht und sie, ich zitiere, anknabbert . In der Eingangshalle riecht es wie in einem Verdauungstrakt. Es kommt zu Verständigungsschwierigkeiten.
    RICK: Ich sehe schon, Lenore war hier. Lassen Sie sich immer von Patienten so beeinflussen?
    JAY: Ach, kommen Sie, Lenore und ihre Probleme haben nicht das Geringste damit zu tun. Denn worum geht es denn? Ihr Wunsch nach einem sauberen Zimmer wird von dem Anderen/Fremden/bedrohlichen Tier als Gefahr für die Sauberkeit interpretiert. Das Leck in Ihrer Schutzhülle zwischen dem Selbst und dem Anderen macht Sie zu einer Bedrohung für andere Schutzhüllen. Durch Ihre Verunsicherung sickert fremdes Du auf fremde Schutzmembranen und kontaminiert die Identität anderer. Wodurch einmal mehr bewiesen ist, dass diese hygiene- und identitätssichernde Membran durchlässig ist, durchlässig qua Unreinlichkeit, durchlässig auch via Verständigungsschwierigkeiten, zwei Begriffe, die nach Blentner ohnehin nicht schlüssig voneinander zu trennen sind.
    RICK: Blentner, Blentner. Ist das etwa alles Blentner?
    JAY: Zu einem gewissen Grad ja. Das Meiste dessen, was ich Ihnen gerade gesagt habe, geht auf seine Heidelberger Hygiene-Vorlesungen von 1962 zurück. Ich würde Sie

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