Der bessere Mensch
oder zumindest geahnt, dass er für die beiden Morde in Wien verantwortlich sein könnte?“
„Ja … ganz entgangen ist mir ja auch nicht, was Anke mit ihm gemacht hat. Eigentlich wollte ich es nicht wissen, doch sie mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Euphorie … auf der einen Seite war ich froh, dass sie mit ihrer therapeutischen Arbeit Fortschritte erzielte … dass er ein ethisches Bewusstsein entwickelt, klar zuordnen kann, was gut und böse ist … zumindest hat sie mir das so geschildert … ich weiß nicht, ob ich es merken hätte können …“
„Was?“
„Wohin sich das alles entwickelt … dass sie ihm vermutlich ihr eigenes Verständnis von Gut und Böse einimpfen wollte … Born, also der Senior, der und mein Vater … Anke kannte ja Max’ Geschichte … die beiden waren für sie das Böse schlechthin … aber ich hätte es schon vorher sehen müssen … wie das alles außer Kontrolle gerät … dieser Mord … das ist die größtmögliche Strafe für uns, der Beweis unserer Unfähigkeit … wie sehr wir uns überschätzt haben im Glauben, ein Bewusstsein nach unseren Vorstellungen schaffen zu können … dass wir dieses organische Wunder vollbringen konnten … das hat uns vermutlich blind gemacht für alles, was darauf folgte …“
„Das Gute als Hass auf das Böse … und aus einem blindwütigen Psychopathen ist ein planender geworden“, folgerte Kamp. „Was die Auswahl seiner Opfer betrifft … Sie glauben, dass Frau Gerngross ihn auf Born gehetzt hat? … Könnte nicht auch Doktor Bienenfeld dahintergestanden haben?“
„Auf keinen Fall … nicht Max … nein, ich bin sicher, dass Anke, Frau Doktor Gerngross, ihn in diese Richtung geleitet hat … ob sie ihn direkt damit beauftragt hat oder ob er seine eigenen Schlüsse gezogen hat, kann ich nicht sagen … wobei der zweite Tote, dieser …“
„Mladic.“
„Ja … das spricht doch eigentlich dafür, dass Kastor selbständig gehandelt hat … zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass Anke den Mann gekannt hat …“
„Und die Vorgehensweise? Dass er sein Opfer zuvor narkotisiert und dann erst sein Gehirn zerstört …“
„Ja … das ist in der Tat ein Paradoxon … mit symbolischer Größe … ein Symbol unseres Versagens …“
„Ich töte das Böse, ohne selbst böse sein zu wollen.“
„Genau … kombiniert mit der archaischen Ansicht, dass das Bewusstsein völlig zerstört werden muss, damit es nicht weiterlebt … was angesichts seiner eigenen Reinkarnation auch irgendwie verständlich ist …“ Hofer schüttelte müde den Kopf. „Das ist meine Schuld.“
Kamp sah auf die Uhr und nickte Schäfer zu.
„Für heute ist es genug, Herr Hofer … wir machen morgen weiter.“
36.
Zwei Tage später war Hofers Vernehmung fürs Erste abgeschlossen und sie konnten nach Wien zurückfahren. Die Beamten vom LKA Salzburg und die dortige Staatsanwaltschaft würden in Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen die weiteren Ermittlungen führen. Unter Umständen würde eine Untersuchungskommission eingesetzt werden, doch daran wollte Schäfer nicht glauben. Ihn störte die Dynamik, die der Fall in den vergangenen achtundvierzig Stunden genommen hatte. Kastor war tot, Bienenfeld und Gerngross ebenfalls, Hofer voll geständig, ein schuldbewusster Ehrenmann, der in eine schlimme Sache geschlittert war. Ein weiterer Helfer, der damalige Gerichtsmediziner, war schwer dement. Alles in allem eine Faktenlage, die einen raschen Abschluss geradezu aufdrängte – was alle Beteiligten mit Ausnahme von Schäfer nur zu gerne akzeptierten.
„Was ist mit meinem Telefon?“, hatte er Kamp gefragt, als sie in einer Vernehmungspause zu zweit auf dem Parkplatz vor dem LKA gestanden hatten, „im Auto war es nicht … und dass Kastor es ausgeschaltet und weggeworfen hat, um nicht geortet werden zu können … eher unwahrscheinlich in dem Zustand, in dem er war … und dass er sich zeitgleich in den Kopf geschossen und die Säure über den Kopf gekippt hat, ja, möglich … aber genauso gut wäre es möglich, dass er einen bisher Unbekannten verständigt hat, der ihn dann erledigt hat, um die Suche nach Hintermännern zu erschweren … und auch wenn Hofer die Wahrheit gesagt hat: Was, wenn die Gerngross jemanden in die Sache eingeweiht hat … Kastor hat bei ihr gelebt … sie wird ihn ja nicht im Keller gehalten haben … der ist da ein und aus gegangen, den haben Nachbarn gesehen …“
„Schäfer …“, setzte Kamp an und hob beschwichtigend
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