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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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dann besser geht.“
    Noch in Salzburg hatte Schäfer sich von Kamp das Versprechen abnehmen lassen, nach Erledigung der wichtigsten administrativen Aufgaben ein paar Tage Urlaub zu nehmen. Er hatte widerwillig zugesagt. Nicht weil es ihm wichtig war, den ganzen Aufruhr mitzuerleben, der sich in nächster Zeit einstellen würde – Pressekonferenzen, Interviews, Analysen, Bestechungsversuche diverser Medien –, das konnte ihm gerne gestohlen bleiben. Aber er wusste aus Erfahrung, wie schwer es ihm außerhalb des Dienstes fallen würde, den leeren Raum zu füllen, der sich nach Abschluss solch eines Falls gewöhnlich auftat; wenn die Anspannung weg war, der Stress, das Jagdfieber, die Konzentration, die alles andere zur Nebensache gemacht hatte; dann würde er wieder ins Grübeln kommen, sich endlos Gedanken darüber machen, was es bedeutete, wenn es das Verbrechen war, das sein Leben mit Sinn erfüllte.
    Während der Fahrt klappte er seinen Laptop auf und begann, alle Dateien, die mit Kastor zusammenhingen, von der Festplatte zu löschen.
    „Was müssen Sie denn jetzt so dringend arbeiten?“, wollte Bergmann wissen.
    „Löschen … ich will diesen Mist nicht mehr in meiner Nähe haben …“
    „Verstehe … Asche zu Asche …“
    „Richtig … Platz schaffen für das nächste Monster …“
    „Da fällt mir ein: Wieso wollen Sie den Fall mit dem Türken wieder aufrollen?“
    „Wer sagt das?“
    „Bruckner.“
    „Ja … stimmt … weil ich mir nicht mehr sicher bin …“
    „Darf ich erfahren, warum?“
    „Sicher“, Schäfer öffnete den Ordner mit den Bildern des toten Mädchens. „Diese drei oberflächlichen Einstiche: Wie haben wir uns die erklärt?“
    „Während ich fahre, sollte ich da jetzt nicht hinschauen, aber … na, dass er ihr das Messer auf die Brust gedrückt hat und sie sich wegstoßen wollte …“
    „Und wenn es Probierstiche sind?“
    Bergmann sah zu Schäfer hinüber und schüttelte dann lächelnd den Kopf.
    „Was gibt’s da zu lachen? Ist das so abwegig?“
    „Überhaupt nicht … dass wir in diese Richtung nicht gedacht haben, ist sogar peinlich … mich wundert nur, dass Sie die Unschuld von jemandem beweisen wollen, den Sie so offenkundig verachten …“
    „Ja … ich wundere mich ja selber …“
    Als sie im Kommissariat waren, begann Schäfer mit dem Ermittlungsbericht. Egal, was Kamp später an die Presse verkaufte – er wollte den Fall für sich so abschließen, wie er ihn sah, mit allen Mängeln, Zweifeln und Unsicherheiten. Etwa, was die Auswahl der Opfer betraf: Born und Schröck, da konnte er sich damit abfinden, dass Gerngross Kastor präpariert hatte, dass er die beiden tötete. Born, weil er für Gerngross eine Zeit und einen Menschentypus repräsentierte, die mit dem Bösen ziemlich deckungsgleich waren. Schröck, weil er wie sein Vater ein skrupelloser Geschäftemacher war, der für seinen Profit über Leichen ging – darunter auch die Firma von Gerngross’ Vater, wie die Ermittlungen ergeben hatten. Und Mladic? Hatte Kastor selbst sich an den serbischen Verbrecher erinnert, weil er mit ihm gemeinsam auf Raubzug gegangen war? Die Waffe sprach dafür; dass sein Gedächtnis an die damalige Zeit laut Hofer so gut wie nicht mehr vorhanden war, dagegen.
    Um sieben verließ Schäfer das Büro. Er ging zu Fuß nach Hause, schlenderte durch Seitenstraßen und beobachtete die Menschen in ihrem Tun. Irgendwie konnte er das Bestreben von Bienenfeld und Hofer nachvollziehen – natürlich, schließlich war er Tag für Tag mit den dunklen Seiten der Seele konfrontiert – doch wenn man das Konzept weiterdachte … dann waren selbst die besten Menschen nicht gut genug, um einen besseren Menschen erschaffen zu können.
    Als Schäfer den Yppenplatz überquerte, blieb er vor dem Haus stehen, in dem das türkische Mädchen erstochen worden war. Er sah zum Fenster ihres Zimmers hinauf, in dem sich ein weißer Spitzenvorhang im Luftzug bewegte. Nach kurzem Zögern trat er in den Hausflur und stieg in den zweiten Stock hinauf. Er klopfte an die Tür, kurz darauf öffnete ihm der kleine Bruder des Mädchens, der seine Mutter rief und Schäfer dann in die Wohnung ließ. Der Spiegel, den er zertrümmert hatte, war noch nicht ersetzt worden. Hilflos blieb Schäfer im Vorraum stehen, bis die Mutter mit einem Baby im Arm erschien, ihn verwundert ansah und in die Küche bat.
    Ihr Deutsch war schlecht – Schäfer überlegte, ob er nicht mit einer Dolmetscherin wiederkommen sollte –

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