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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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doch dann kam der Junge hinzu und übersetzte zwischen ihnen. Sie war von der Unschuld ihres Mannes überzeugt. Wer sonst ihre Tochter getötet haben könnte, darauf wusste sie allerdings auch keine Antwort. Schäfer fragte, wie sich Dana in den Wochen und Monaten vor ihrem Tod verhalten habe. Ob sie, ihre Mutter, irgendetwas Ungewöhnliches bemerkt habe. Sie dachte lange nach, brach in Tränen aus, brachte nicht mehr als ein paar Worte heraus.
    „Sie war sehr traurig“, meinte schließlich der kleine Bruder, und Schäfer wusste nicht, ob er übersetzte oder selbst erzählte. „Immer mehr … seit einem Jahr bestimmt schon. Und Papa war nicht nett zu ihr. Sie wollte nicht so leben, wie er wollte. Wenn sie ausgehen wollte, hat er geglaubt, dass sie sich mit ihrem Freund trifft, und hat sie eingesperrt. Da ist sie auf dem Bett gelegen und hat geweint. Und wenn sie aufgehört hat, ist sie einfach nur so dagelegen und war traurig. Ich habe nicht gewusst, was ich machen soll …“
    Bevor er die Wohnung verließ, warf er noch einen Blick in das Zimmer. Es sah gleich aus wie damals. Er ging hinein und rief sich abermals die Situation in Erinnerung, die er dort vorgefunden hatte. Er ging zur Wand und besah sich die Farbe. Dann verabschiedete er sich und machte sich auf den Heimweg.
    Nach dem Abendessen sah er sich einen Film mit Jim Carrey und Kate Winslet an. Doch nach einer halben Stunde überkam ihn die Müdigkeit und er ging ins Bett. Er träumte so intensiv wie schon lange nicht mehr. Er befand sich in einer unüberschaubaren Menge von Leuten, die ihm aus allen Richtungen entgegenkamen und es ihm fast unmöglich machten, vorwärtszukommen. Die Menschen, gegen deren Strom er sich mühsam bewegte, waren allesamt Asiaten. Doch in der Menge verstreut standen einzelne große Männer mit hellblondem Haar, zwei Köpfe größer als die anderen und wie auf einem Sockel erstarrt. Schäfer kämpfte sich durch dieses Gewirr an Stimmen, Gerüchen und Berührungen und fragte immer wieder einen der Vorbeihastenden nach einer Batterie. Doch die Asiaten schüttelten nur verständnislos den Kopf und die großen blonden Männer schenkten ihm ein mitleidiges Lächeln. Verzweifelt blieb er stehen, als er plötzlich das lauter werdende Geräusch eines Aufzugs hörte, das von einem dumpfen Grollen zu einem hellen Pfeifton wurde. Ohne zu wissen, wie ihm geschah, wurde er in die Tiefe gezogen, es blieb lange dunkel und er tastete panisch die metallenen Wände um sich herum ab, um einen Ausgang zu finden. Dann blieb der Aufzug stehen, die Dunkelheit verschwand und er stand in einem riesigen Garten. Das Sonnenlicht blendete ihn so stark, dass er sich eine Hand an die Stirn halten musste. Als er sie wegnahm, sah er das Dachfenster seines Schlafzimmers.

37.
    Es war kurz nach neun. Dennoch hatte Schäfer keine Eile, ins Kommissariat zu kommen. Kamp hatte ihm befohlen, Urlaub zu nehmen. Erst ab der kommenden Woche, aber zurzeit würde es wohl keiner wagen, den Helden, der Kastor zur Strecke gebracht hatte, mit mörderischem Kleinkram zu behelligen. Gedankenverloren saß er auf dem Balkon unter dem Sonnenschirm und biss in einen Apfel. Wieso konnte er nicht loslassen … was hatte Kamp überhaupt damit gemeint, dass sie eine Schlacht gewonnen hatten? Dass sie den Krieg ohnehin nie gewinnen könnten? Er holte seinen Laptop aus dem Wohnzimmer, überflog im Internet die aktuellen Nachrichten. Dann gab er in eine Suchmaschine „Major Schäfer“ und „böse“ ein. Las den ersten Absatz des Artikels, der ihn der Misshandlung eines Verdächtigen beschuldigte. Was, wenn sich Kastor tatsächlich mithilfe von Gerngross, Fernsehen und Internet eine Vorstellung vom Bösen gemacht hatte, das es auszurotten galt? Hätte er irgendwann in Schäfers Wohnung auf ihn warten können, bereit, ihm eine Flasche Säure über den Kopf zu gießen? Oder war er als Polizist auf der Seite der Guten? Wenn man ausschließlich Gerngross für Kastors perverse Resozialisierung verantwortlich machen könnte, wohl eher nicht. Sie hatte schließlich keinen Moment gezögert, Kastor Schäfers Ermordung aufzutragen. Doch sie ganz allein?
    Bienenfeld, wie ein Vater war er für Kastor gewesen, hatte Hofer gemeint. Wie ein Vater … Bienenfelds Witwe fiel Schäfer ein … ihr Gespräch im Garten … dieser höchst intelligenten und sensiblen Frau hätte verborgen bleiben sollen, dass ihr Mann sich quasi einen Sohn hält? Das alles hätte er ihr verheimlichen können, nach über

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