Der bessere Mensch
traditionellen Werte –, dann Provokation – es hat Ihnen nicht gefallen, dass Ihre Tochter sich von diesem kleinen Österreicher hat ficken lassen … was auch immer, Schäfer wurde nicht schlau aus diesem Mann … gut, es war auch nicht mehr sein Fall. Die Staatsanwaltschaft würde Anklage erheben, der Mann würde ziemlich sicher verurteilt werden – ein muslimischer Patriarch weniger.
Schäfer sah sein Adressbuch durch und rief Amos Goldmann an, seinen Bekannten in der Israelitischen Kultusgemeinde. Er sagte ihm, worum es ging und dass er im Laufe des Nachmittags bei ihm vorbeischauen wolle. Für den Fall war dieses Treffen nicht unbedingt notwendig – doch Schäfer hatte Goldmann gern, es würde guttun, mit jemandem von außerhalb des Polizeidienstes zu reden, zudem schätzte er dessen Fantasie, die so völlig außerhalb seiner eigenen Denkweise war.
Bevor er das Büro verließ, las er noch den Bericht der Spurensicherung zum Einbruch bei Schröck. Das Schloss war professionell geknackt worden, die Alarmanlage deaktiviert – offensichtlich jemand, der sein Handwerk verstand.
Schäfer schloss die Augen und ließ den Mord an Born sowie den Einbruch wie einen Film ablaufen. Ein Spezialist … Techniker, Mechaniker … jemand mit einer kriminellen Vorgeschichte.
„Bergmann … können Sie alle Männer bis fünfzig überprüfen, die von Anfang letzten Jahres bis zur Woche, in der Born ermordet wurde, aus der Haft entlassen worden sind? Schwerpunkt auf Einbruch, Autodiebstahl, Körperverletzung …“
„Kein Problem … übrigens ist mir heute Morgen eingefallen, wo Sie diesen Namen herhaben könnten, von dem Sie neulich erzählt haben …“
„Welcher Name?“
„Ihre Honigeisassoziation … Bienenfeld …“
„Davon habe ich Ihnen erzählt?“, fragte Schäfer verwundert.
„Allerdings … Sie haben mich mitten in der Nacht angerufen und nach zwei Minuten wieder aufgelegt …“
„Oh … ’tschuldigung“, Schäfer konnte sich beim besten Willen nicht an dieses Gespräch erinnern.
„Sein Name war zusammen mit einem Porträt auf einer der Schautafeln in der Spiegelgrundausstellung … eins der wenigen Kinder, die überlebt haben …“
„Und der hat Bienenfeld geheißen?“
„Ich bin mir ziemlich sicher, ja … Namen vergesse ich nicht so leicht …“
„Ich anscheinend schon …“
Schäfer nahm sein Jackett von der Rückenlehne des Sessels, ärgerte sich kurz über die Falten, die es dort bekommen hatte, und verließ das Büro. Goldmann wohnte im obersten Stock eines sehr sanierungsbedürftigen Altstadtpalais im ersten Bezirk. Nachdem Schäfer dreimal geläutet hatte, ohne dass der Türöffner aktiviert wurde, hörte er Goldmann von oben herabschreien. Schäfer trat auf den Gehsteig zurück, schaute nach oben und schaffte es gerade noch, dem Schlüsselbund auszuweichen, der ihm entgegenflog. Er hob ihn auf, sperrte die Tür auf und trat in das muffig riechende Atrium, das seine besten Zeiten wohl unter Österreichs letztem Kaiser gesehen hatte. Der Aufzug war wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb. Schäfer stieg die Treppen in den vierten Stock hinauf und drückte die angelehnte Tür zu Goldmanns Wohnung auf.
„Der Türöffner ist kaputt“, begrüßte ihn sein Bekannter.
„Ja … und dein Schlüsselbund eine gefährliche Waffe …“
„Haha … komm rein, komm rein … setz dich … trink einen Tee mit mir …“
„Gerne“, Schäfer ließ sich auf eine purpurfarbene Samtcouch fallen, in die er bis zu den Beckenknochen versank. „Das Haus hat auch schon bessere Zeiten gesehen …“
„Wie wir alle, Johannes … wie wir alle“, erwiderte Goldmann und stellte ein Glas kalten Pfefferminztee vor Schäfer ab. „Willst du meinen derzeitigen Lieblingswitz hören? Ist wie für uns gemacht …“
„Hilft es was, wenn ich Nein sage?“
„Nein … also: Zwei Juden treffen sich 1941 auf der Kärntner Straße … der eine schaut seinem Landsmann auf den gelben Stern an dessen Brust und fragt: Na, auch Jude? Worauf der andere erwidert: Nein, Sheriff.“
Goldmann brach in schallendes Gelächter aus, was Schäfer mehr erheiterte als die eigentliche Pointe.
„Sehr gut … aber leider bin ich meistens zu feige, deine Witze weiterzuerzählen …“
„Wieso? Ihr seid doch eh alles Faschisten bei der Polizei … da kannst du sicher ordentlich punkten.“
„Womit wir uns diesen schlechten Ruf verdienen, möchte ich wissen …“
„Schau dir die Zeitungen an … war gestern wieder
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