Der bessere Mensch
Conrad-Katalog aus – ein tausend Seiten starkes Konvolut, in dem sich wohl das gesamte technische Sortiment befand, das man auf diesem Planeten kaufen konnte. Wenn Schäfer mit diesem Katalog über die Gänge spazierte oder in seinem Büro saß, wussten inzwischen die meisten seiner Kollegen, dass sie ihn nur in Notfällen ansprechen sollten. Er saß dann mit dem kiloschweren Katalog vor sich am Schreibtisch und murmelte Dinge wie: „Ein elektronischer Katzenlehrer … unglaublich … eine Ionisator-Pyramide zur Luftreinigung … hmhmhm … ein Sonargerät zur Wühlmausvertreibung … was es alles gibt.“
Am frühen Nachmittag hatte er sich wieder gefangen und er beschloss, bei Bruckner vorbeizuschauen und mit ihm über das tote Mädchen zu sprechen. Er war draußen, klar, aber bis der Täter nicht verurteilt war, würde ihm der Fall ohnehin keine Ruhe lassen.
„Da“, meinte Bruckner und legte Schäfer einen Stapel Fotos hin, von denen sich dieser nur die Detailaufnahmen der Verletzung und die Aufnahmen des Raums ansah.
„Drei Einstiche … der in der Mitte ist der tödliche …“
„Ja … weshalb wir davon ausgehen, dass der Täter sie festgehalten und ihr das Messer an die Brust gedrückt hat … dabei dürfte sie die zwei Stiche erlitten haben, die nur oberflächlich eingedrungen sind …“
„Dann wollte sie sich wahrscheinlich losreißen und er hat zugestoßen …“
„Sieht Föhring auch so …“
„Ist Koller nicht da?“
„Doch … aber der hat sonst genug zu tun …“
„Gut … sonst was Neues?“
„Sie hat einen Freund gehabt … ist an derselben Schule … siebzehn … ich fahre jetzt zu ihm … willst du mit?“
„Du weißt, dass Kamp mich abgesägt hat?“
„Und? Wird wohl nicht verboten sein, dass ich dir was beibringe“, meinte Bruckner schmunzelnd.
Der Junge wohnte in einem Gemeindebau im fünfzehnten Bezirk. Er war eben von der Schule heimgekommen, hatte vom Tod seiner Freundin erst am Vormittag erfahren. Dementsprechend aufgelöst war er.
„Wie war ihr Vater zu ihr?“, fragte Bruckner, nachdem er sein Notizbuch herausgeholt hatte.
„Gemein … er hat Dana geschlagen … nicht oft … aber er ist ein Arschloch …“
„Hat er sie verletzt … so, dass sie zu einem Arzt musste …?“
„Einmal … vor zwei Jahren, glaube ich … da hat er Dana die Hand gebrochen … sie haben gesagt, dass es beim Handball passiert ist …“
„Weißt du, bei welchem Arzt sie war?“
„Im AKH … keine Ahnung …“
„Was ist mit ihrer Mutter?“
„Die ist besser … aber jetzt ist sie seit zwei Wochen im Krankenhaus … wegen der Schwangerschaft, weil es da Komplikationen gibt … und seitdem …“
„Seitdem?“
„Da war Dana mit ihrem Bruder und ihrem Vater allein zu Hause … und da ist es schlimmer geworden …“
„Glaubst du, dass ihr Vater sie getötet hat?“
„Wer denn sonst“, erwiderte der Junge und senkte den Blick, „wer hätte sie denn sonst umbringen sollen?“
„Was ist mit anderen männlichen Verwandten? Jemand, den es gestört hat, dass sie dich als Freund hat?“
„Das hat ja kaum wer gewusst … die Türken bei uns in der Schule sind da nicht mehr so … wenn es nicht um die eigene Schwester geht, meine ich …“
„Hat sie Angst gehabt, dass er sie töten könnte?“
„Sie hat Angst gehabt vor ihm … das ist doch normal … dieses Arschloch … sagt er, dass er es nicht gewesen ist?“
„Ja … er sagt, dass sie noch gelebt hat, als er das Haus verlassen hat …“
„Lügner …“
Eine Stunde später waren sie auf dem Weg zurück. Bruckner hatte dem Jungen die Telefonnummer eines Psychologen gegeben, den er jederzeit anrufen könne. Doch an der Reaktion des Jungen hatten sie erkennen können, dass er es nicht machen würde. Erwachsene waren Feinde, jetzt bestimmt noch mehr.
„Was hältst du von ihm?“, wollte Bruckner von Schäfer wissen.
„Klingt alles plausibel … ein paar Antworten kamen allerdings fast zu schnell …“
„Ist mir auch aufgefallen … aber er hat ein Alibi … der Junge ist ziemlich fertig …“
„Ja … das wäre ich auch.“
Die Forensik hatte einen vorläufigen Bericht geschickt. Die einzigen Fingerabdrücke am Messer waren die des Vaters. Die Tür war nicht aufgebrochen worden, keine fremden Fingerabdrücke an der Tür oder in der Wohnung. Das würde reichen, um den Vater in Haft zu behalten.
Nach Dienstschluss fuhren Schäfer und Bergmann nach Steinhof, um zu laufen. Wo sie sich
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