Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
Sicherheitslücken
schließen und falsche Geständnisse erkennen?« Christian nickte: »Manche Leute
im Präsidium und auch anderswo haben zu gute Kontakte zur Presse. Wir wollen
nichts riskieren.« Christian blickte schweigend aus dem Fenster, als habe er
den Faden verloren. Alle außer Pete wußten, daß Christian sich an einen länger
zurückliegenden Fall erinnerte, bei dem eine Indiskretion an die Presse die
Rettung einer entführten Frau verhindert hatte. Christian hatte damals in einem
schrecklichen Wutanfall den schuldigen Kollegen derart verprügelt, daß er nur
knapp einer Suspendierung entging.
»Und jetzt der Hammer«, ergriff Eberhard das Wort, »zum ersten Mal
eine verwertbare Spur. Sperma. Wir wissen zwar nicht, ob es uns weiterbringen
wird, aber wir wissen, daß der Mörder einen Fehler gemacht hat. Endlich.«
Volker rührte in seiner Kaffeetasse und räusperte sich skeptisch.
»Volker, was hältst du davon?« fragte Christian.
Pete beugte sich zu Daniel und fragte ihn flüsternd, was es mit dem
Kultstein namens Hänsel und Gretel auf sich habe. Daniel erklärte es ihm knapp.
Demonstrativ wartete Volker das Ende des Getuschels ab. Als Pete es bemerkte,
entschuldigte er sich: »Ich habe deswegen nicht unterbrechen wollen, sorry.«
Ungerührt blickte Volker ihn an: »Das haben Sie aber. Sie können
Ihre Fragen gerne offen stellen. Und vielleicht möchten Sie uns ja Ihren Eindruck vermitteln, den Sie aus dem Lesen der Berichte und Ihrem
bisherigen Studium des Beweismaterials haben. Was ich denke, wissen meine Kollegen zur Genüge. Wir fassen es nur jeden Montag morgen
aufs neue zusammen, damit wir nichts übersehen und uns nicht von unseren
Gefühlen in die Irre führen lassen.«
Auch Eberhard wandte sich nun direkt an Pete: »Uns beschäftigen vor
allem folgende Fragen: Wie sucht der Täter die Kinder aus? Was sind das für
Kinder, die anscheinend keiner vermißt? Gibt es eine vordeliktische
Täter-Opfer-Beziehung, und wenn ja, welche? Inwieweit sind die Morde sexuell
motiviert? Das Thema ist nun durch den Spermafund vorerst geklärt. Bislang war
es schwierig zu beurteilen, weil die ersten drei Morde nicht direkt und
nachweisbar mit sexuellem Mißbrauch einhergingen. Der Mißbrauch der ersten drei
Opfer lag mehrere Tage zurück. Wir wissen bislang nicht, wie lange der Täter
die Opfer in seiner Gewalt behält, bevor er sie tötet. Außerdem: Welche
Bedeutung haben diese sogenannten Rachepsalmen? Warum bahrt der Täter die Leichen
auf und schmückt sie? Ist unser Killer total durchgeknallt oder einfach nur ein
kranker Pädophiler?«
Nach einer Kunstpause sah Eberhard Pete ruhig an: »Super Fragen für
einen super FBI-Profiler, oder? Haben Sie ein paar Antworten für uns, die über
das Serienkiller-Klischee hinausgehen?«
»Dazu müßten Sie mir erst Ihr Serienkiller-Klischee definieren«, gab
Pete zurück.
»Weiß, zwischen Zwanzig und Mitte Dreißig. Signifikante
Fehlentwicklung in primären Sozialisationsprozessen«, entgegnete Eberhard.
Daniel nickte: »Wurde als Kind von Mama und Papa geschlagen und in
den Keller gesperrt.«
Volker fuhr fort: »Bindungsschwach, kontaktarm, fehlende
Konfliktbereitschaft. Lebt unauffällig, hört auf unauffällige Namen wie Peter
Kürten oder Fritz Haarmann und geht vermutlich einem unauffälligen Beruf nach.
In den USA
sind die Serienkiller angeblich überdurchschnittlich intelligent. Bei uns
nicht.«
»Das kann natürlich daran liegen, daß in den USA einer mit einem IQ
von achtzig schon überdurchschnittlich intelligent ist. Der wird dann
Präsident«, feixte Eberhard.
»Oder was Tolles beim FBI«, fügte Volker süffisant hinzu.
Pete wandte sich leicht gereizt an Christian: »Hören Sie, ich weiß,
daß Sie mich nicht angefordert haben. Das heißt aber nicht, daß ich nichts
beizutragen habe. Also wäre es schön, wenn Sie mich in die Arbeit integrieren
würden.«
»Das müssen Sie schon selbst tun«, gab Christian gleichmütig zurück,
»ich weiß, was diese Leute hier können. Ich kenne sie seit Jahren, ich vertraue
ihnen und ihrer Arbeit. Sie sind ein Fremder. Warum sollte ich Ihnen
vertrauen?«
»Weil wir zum gleichen Verein gehören?«
Christian fixierte ihn kühl: »Arbeiten Sie mit, zeigen Sie uns, was
Sie draufhaben. Wir werden sehen. Wenn Sie beim Oberboß Bericht erstatten
müssen, sollen oder wollen, tun Sie das. Aber wir sind hier nicht im
Streichelzoo. Wenn Sie emotionale Zuwendung brauchen, sind Sie bei uns an der
falschen Adresse.
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