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Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)

Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)

Titel: Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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unbedingt das Gesprächsband aufrechterhalten.
    »Weil ich geschwindelt hab. Das war gar nicht Gott, das war Willi.«
    »Was war Willi?«
    »Der hat das Haus angesteckt! Damit Mama und Papa verbrennen.«
    »Der Teddy?« Anna vermutete erschrocken, daß Carlos den Mord an
seinen Eltern, den er gerade gestand, auf sein Stofftier projizierte, um sein
Gewissen nicht damit zu belasten. Sie erinnerte sich an die Szene, die sie von
ihrem Balkon aus beobachtet hatte: Wie er, als er dem gestürzten Kind draußen
auf der Straße aufgeholfen hatte, dessen Teddy mit deutlicher Aggressivität in
den Schmutz trat.
    Carlos reagierte plötzlich ungeduldig: »Quatsch, doch nicht der
Teddy. Du bist dumm! Das war Willi!«
    Anna versuchte es auf einem anderen Weg: »Aber Willi ist doch
gestorben, als er noch ganz klein war!«
    Carlos setzte sich auf den Boden zu Annas Füßen, kreuzte die Beine
und schüttelte den Kopf: »Das hat Papa nur so gesagt. Der hat Willi schmutzig
gemacht. Aber Mama hat mir heimlich erzählt, daß Willi in Holland ist, bei
einer netten Familie. Damit ich nicht mehr weine, hat Mama mir das erzählt.«
    Seine Miene verdüsterte sich, Sprache und Stimme wurden erwachsener.
Mit höchster Aufmerksamkeit beobachtete Anna jede Veränderung in seinem
Verhalten, in seiner Stimmung. Ihr Leben könnte davon abhängen. Anscheinend
durchlebte Carlos die Stationen seiner traumatischen Kindheit im
Schnelldurchlauf: »Mama hat gelogen. Die in Holland haben ihn auch schmutzig
gemacht. Ich weiß das doch. Weil es nie aufhört. Nie! Und dann ist er
zurückgekommen und hat sie im Fegefeuer bestraft.«
    Carlos schwieg eine Weile, während Anna fiebrig überlegte, wie sie
ihn dazu bringen konnte, ihre Fesseln zu lösen. Sie brauchte irgend etwas, wo
sie einhaken konnte.
    »Und was hast du gemacht?« fragte sie ihn ins Blaue hinein.
    »Ich bin weggegangen. Willi war dann ich, und ich war weg. Ich war
lange weg …«, sinnierte Carlos, nun mit seiner normalen Stimme.
    »Und jetzt bist du wieder da?« tastete Anna sich vorwärts. Sie
achtete krampfhaft darauf, daß ihr Blick nicht auf Joes Leiche fiel.
    Carlos nickte: »Ich muß Willi bestrafen.«
    »Weil er den Brand gelegt hat?«
    »Nein. Das hat er gut gemacht«, erwiderte Carlos düster.
    »Weswegen dann? Wegen der Kinder?«
    »Ja. Er macht sie schmutzig. Er ist schlecht. Er muß aufhören.«
    »Und was machst du?«
    Langsam hob Carlos den Kopf und sah Anna an. Sein Blick wirkte nun
klarer.
    »Ich mache die Kinder sauber. Ich bete für sie und reinige ihre
Seele. Ich bringe sie ins weiße Licht. Selig sind die Toten, die im Herrn
sterben.«
    »Wenn du mich losbindest, helfe ich dir«, sagte Anna so freundlich
und einfühlsam, wie es ihr unter diesen Umständen nur möglich war. Im
Wohnzimmer klingelte das Telefon.
    Carlos zuckte heftig zusammen. Das Klingeln des Telefons
katapultierte ihn aus seinem Trance-ähnlichen Zustand heraus, er kam wieder in
der Gegenwart an. Er erhob sich, sein Blick schien nun klar: »Sie haben mir
schon genug geholfen. Aber es klappt nicht, wie ich es geplant hatte. Sie haben
getan, was ich wollte, aber die Polizei hat ihn wieder laufenlassen. Jetzt muß
ich ihn umbringen.«
    Im Wohnzimmer sprang Annas Anrufbeantworter an. Wie durch einen
Nebel hörte sie die aufgesetzt fröhliche Stimme ihrer Mutter, die Anna zum
Familienessen einlud. Als gäbe es eine Familie.
    Carlos wandte sich zum Gehen. Er wies auf Joe: »Tut mir leid. Ich
habe nicht gewollt, daß Ihnen so was passiert. Sie sollten nur die Polizei auf
die richtige Spur bringen. Auf Kain, nicht auf Abel.«
    »Warum sind Sie hergekommen, Carlos?« Anna wollte auf jeden Fall
vermeiden, daß er sie allein und gefesselt zurückließ.
    »Nur, um mich zu verabschieden.« Seine Stimme kippte fast ins
Weinerliche. »Es sind so viele Kinder, zu viele. Ich kann sie nicht alle
retten. Ich muß … Ich habe versagt.«
    »Carlos! Machen Sie mich los!« rief Anna verzweifelt, als Carlos zur
Küchentür hinausging. Sie zerrte an ihren Fesseln und legte dabei den Kopf nach
hinten, damit das Blut, das von ihrer Stirn floß, ihr nicht komplett die Sicht
nahm. Carlos war draußen im Flur kaum noch als Schemen zu erkennen. Er wandte
sich ein letztes Mal um und bat entschuldigend um Verständnis, er brauche
Vorsprung, um der Offenbarung zu folgen: »Kapitel 13, Vers 9: Wenn einer ein
Ohr hat, soll er hören. Das hat er nicht getan. Vers 10: Wenn einer für die
Gefangenschaft bestimmt ist, so geht er in die

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