Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
tieferen Schichten entspannte und ihre Haut krebsrot wurde.
Mit einem riesigen Handtuch rubbelte sie sich ab, schlang es um ihren Körper
und tappte barfuß Richtung Küche, um sich ein Rauke-Serrano-Sandwich zu machen.
Im Flur bekam sie aus dem Nichts einen harten Schlag gegen das Kinn. Lautlos
sackte sie zusammen.
Als sie ein paar Minuten später wieder zu sich kam, weil ihr etwas
Kaltes ins Gesicht geschüttet wurde, saß sie in ihrer Küche, an Händen und
Füßen mit Klebeband an ihren alten Küchenstuhl gefesselt. Ihr Mund war verklebt
bis an die Nasenlöcher, so daß sie nur schwer Luft bekam. Vor ihr stand, in
entspannter Pose an den Küchenschrank gelehnt, ein gutaussehender junger Mann
und trank ein Glas Orangensaft. Er betrachtete sie interessiert. Anna begriff,
daß er ihr von dem Saft ins Gesicht geschüttet hatte, sie spürte, wie er auf
ihrem Hals und im Dekolleté klebrig zu trocknen begann.
»Hallo, da sind wir ja wieder«, sagte der Mann mit leicht
osteuropäischem Akzent. Er trug einen geschmackvollen schwarzen Anzug, ein
weißes Hemd und eine Seidenkrawatte und hatte auffällig feingliedrige Hände,
die in hauchdünnen OP-Handschuhen steckten.
»Ich werde jetzt das Tape von Ihrem Mund nehmen, denn wir wollen uns
ein wenig unterhalten. Sie sollten allerdings nicht schreien oder sonstige
unangenehme Töne von sich geben. Ich habe ein sehr musikalisches Gehör und
könnte ungehalten reagieren.« Er sah Anna auffordernd an.
Sie nickte. Mit einem Ruck riß er ihr das Tape vom Gesicht, nur mit
Mühe konnte Anna einen Aufschrei unterdrücken.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?« stieß sie gepreßt hervor.
Der Mann schüttelte den Kopf und entblößte dabei zwei perfekte weiße
Zahnreihen: »Lady, ich stelle hier die Fragen, und Sie antworten. Aber ich will
nicht zur Gänze unhöflich wirken. Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist
Joe.«
Anna war sowieso verkrampft, vergessen war die entspannende Wirkung
der heißen Dusche, doch nun erstarrte sie zu einem Marmorblock, im Gesicht so
weiß wie der Stein aus Carrara. Sie wußte von Christian, in welcher Branche ein
Phantom namens Joe sich seinen Lebensunterhalt verdiente. Und sie wußte, daß
seine schönen Hände Freude an chirurgischer Betätigung fanden.
Aus ihrem Mund quoll unwillkürlich ein dumpfer Angstlaut, und sie
wandte den Kopf hektisch hin und her, um seinem Blick auszuweichen. Joe war ein
wenig überrascht über ihre heftige Reaktion.
»Sie scheinen mit meinem Namen etwas anfangen zu können«, meinte er
leise, »soll mir das schmeicheln? Wenn ich ehrlich bin, ist es mir eher
unangenehm. Aber kommen wir zum Thema.«
Er beugte sich zu ihr hinab, nahm ihr Kinn zwischen seine Finger und
drehte ihren Kopf zu sich. Sie konnte sein edles Rasierwasser riechen.
»Ich bin auf der Suche nach einem Mann, der sich Carlos Dante nennt.
Und ich habe gehört, Sie können mir da vielleicht weiterhelfen. Wollen Sie das
tun?«
Anna brach der Schweiß aus. Er strömte in Bächen aus ihren
Achselhöhlen und wurde vom oberen Rand des um ihren Leib geschlungenen
Handtuchs aufgesogen.
»Er ist im Untersuchungsgefängnis«, gab sie zur Antwort.
Joe schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Ihre Lippe platzte
auf und blutete ein wenig. Sie spürte einen Ruck durch ihren Körper gehen,
plötzlich war ihre Angst verschwunden, sie fühlte sich unendlich stark, eine
Kraft, geschmiedet aus Haß und Wut, durchströmte sie wie flüssiges Feuer.
Heftig zerrte sie an ihren Fesseln, wollte nach ihm schlagen, treten, spucken.
Er lächelte sie an.
»Wagen Sie es nicht, mich noch einmal zu schlagen«, zischte Anna.
Zur Antwort schlug er sie. Wieder. Und wieder. Und wieder.
Annas eben noch unbezähmbar scheinende Wut wurde lebendig begraben,
mit jedem Schlag ein wenig mehr erstickt. Sie wand sich unter Schmerzen,
versuchte vergeblich auszuweichen, bis die Spannung aus ihrem Körper wich und
sie schluchzend erschlaffte.
»Und jetzt noch einmal: Wo finde ich Carlos Dante?«
Anna hob ihr blutverschmiertes Gesicht. »Ich weiß nichts. Sie können
mich weiter foltern, aber ich weiß nichts.«
Joe trat einen Schritt zurück und schaltete betont gelangweilt Annas
Küchenradio ein. Es lief der zweite Satz von Beethovens Siebter Symphonie.
»Foltern? Gute Idee.« Joe griff mit geschmeidiger Bewegung nach
einer schwarzen Ledertasche, die auf dem Boden lag und Annas Blick bisher
entgangen war. Er zog ein ebenfalls schwarzes Lederetui hervor und öffnete
langsam den
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