Der beste Tag meines Lebens

brauchte keine fünf Minuten, um ihm den Fall zu erläutern: warum es unsinnig von Wayne gewesen wäre, die Pistole in die Schule mitzubringen, und warum er glaubte, die Schulleitung und die ermittelnde Behörde habe in Wayne einen guten Sündenbock gefunden. Während Colin ihm das alles erklärte, achtete er genau auf Waynes Körpersprache: Zunächst hatte der muskulöse Junge die Arme vor der Brust gekreuzt, doch irgendwann begann er, damit auf den Stein zu trommeln. Mit wachsendem INTERESSE hatte er sich vorgebeugt. Zwischendurch war ENTRÜSTUNG aufgeflackert und manchmal eine eher ziellose WUT .
    »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat die Polizei nichts außer einem auf früherem Verhalten basierenden Verdacht«, beendete Colin seine Ausführungen. »Hätten sie irgendeinen echten Beweis, dann wärst du inzwischen schon verhaftet.«
    »Nachdem sie mich mitgenommen haben, wurde einer dieser Tests auf Schmauchspuren gemacht«, sagte Wayne, runzelte die Stirn und schaute so angestrengt nach rechts oben, wie manche Leute das tun, wenn sie sich besser an etwas erinnern wollen. »Es hieß dann, er wäre positiv gewesen.«
    »Jeder in einem Umkreis von eineinhalb Metern rund um die Stelle, wo die Waffe abgefeuert wurde, wäre bei einem Schmauchspurentest positiv«, beharrte Colin. [19] »Die haben mit diesem Trick versucht, dir ein Geständnis zu entlocken. Das ist eine klassische Verhörmethode.«
    »Du hast anscheinend eine Menge Ahnung von diesen Sachen. Ist dein Dad etwa ein Cop oder so was?«
    »Nein, ich mag nur gern Rätsel.«
    Wayne schaute auf seine eigenen Hände, bevor er wieder Colin ansah. »Ich piesacke dich doch schon seit der ersten Klasse dauernd, und jetzt willst ausgerechnet du meine Ehre verteidigen? Denkst du, ich lasse dich in Ruhe, wenn du mir hilfst?«
    »Ich denke, wenn ich dir helfe, werde ich das Rätsel lösen.«
    Wayne starrte Colin geschätzte 14  Sekunden lang an. Colin hätte es unhöflich gefunden, dabei auf seine Uhr zu schauen, also maß er das Zeitintervall, indem er stattdessen seine Herzschläge zählte. Dann lachte Wayne. Diesmal beschloss Colin, ihn das allein machen zu lassen.
    »Na schön, Alter.«
    Colin verstand nicht ganz, was daran schön sein sollte. Es war eine objektive Tatsache – andererseits wusste er, dass viele Leute Probleme damit hatten, Fakten von Meinungen zu unterscheiden. »Was für Fragen hat dir die Polizei denn gestellt?«
    »Die Cops haben dauernd nach
La Familia
gefragt.«
    Colin runzelte die Stirn. Er erinnerte sich an das Spinnennetz-Tattoo am Hals des Detectives und an eine Reihe von Artikeln, die er im Lokalteil der
Los Angeles Times
gelesen hatte. Sein Vater schlug immer wieder vor, das Abonnement zu kündigen, um Geld zu sparen, und sich die Nachrichten einfach aus dem Internet zu holen, aber Colin mochte es, eine echte Zeitung in der Hand zu halten und zu lesen. Irgendwie fühlten sich die Nachrichten dann auch real an. »Das ist eine Latino-Gang aus dem North Valley«, erläuterte er.
    »Sehr gut,
vato
«, sagte Wayne und benutzte den für East Los Angeles Chicanos typischen Slangausdruck für »Mann« oder »Gangmitglied«, und das, obwohl weder Wayne wie ein Chicano noch Colin wie ein Gangmitglied wirkte. »Sie meinten, die Waffe sei letztes Jahr bei einer Schießerei im Vorbeifahren in Van Nuys benutzt worden. Ewig lang haben sie mich gefragt, ob ich mich mit diesen Typen rumtreibe.«
    »Und? Tust du das?«, fragte Colin. Er versuchte, Waynes Hals genauer zu betrachten. War das ein Tattoo oder ein Leberfleck?
    »Oh yeah,
ese. Blut rein, Blut raus.
« Wayne sprach mit übertriebenem spanischem Akzent. Außerdem drehte er seinen Kopf gerade weit genug, um den Leberfleck sichtbar zu machen.
»Viva la raza!«
    Colin verarbeitete diese neue Information und verfasste in Gedanken bereits einen Eintrag in sein Notizbuch.
     
    Wayne Connelly – aschblond, heller Teint. Behauptet, Mexikaner zu sein. Von der Erscheinung her ungewöhnlich, aber möglich, problematischer ist der Nachname. Weiter ermitteln.
     
    Er hatte immer angenommen, Wayne habe angelsächsisch-keltische Vorfahren. Vielleicht war er auch ein Mischling, oder einer seiner Vorfahren hatte als San Patricio gekämpft. [20] Er wollte gerade eine Detailfrage zu Waynes Herkunft als Latino stellen, als dieser vernehmlich schnaubte. »Was bist du, bescheuert?«
    »Nein«, antwortete Colin, »es fällt mir nur schwer zu erkennen, wenn Leute einen Scherz machen.«
    »Okay, ich habe nichts mit denen