Der Bestseller
langsam Gestalt an.« Er stellte den Symons an seinen Platz zurück.
»Eines müssen Sie sich merken, Herbert«, sagte ich und setzte mein professionelles Gesicht auf. »Wenn Sie einen Kriminalroman schreiben, schreiben Sie im Grunde einen Fantasy-Roman.«
»Wieso?«
»Eine realistische Detektivgeschichte ist wahrscheinlich ein Widerspruch in sich. Im wirklichen Leben haben Privatdetektive nicht mit Mordfällen zu tun. Sie suchen im Auftrag von Rechtsanwälten nach Beweismaterial, sie spionieren Ehepartnern nach, ermitteln in Versicherungsfällen und suchen Vermißte. Amateurdetektive lösen keine Mordfälle, an denen die Polizei sich die Zähne ausbeißt. Und selbst für die Darstellung von polizeilichen Ermittlungen müssen Sie etwas dazuerfinden. Wenn Sie’s nicht tun, wird Ihr Buch sehr langweilig. Um überzeugend zu sein, brauchen Krimis das Element des Bizarren, des Phantastischen. Ende des Vortrags.«
»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Poole. »Ich soll in die vollen gehen.«
»Genau. — Übrigens ist Parkers Büro nicht mehr versiegelt. Morgen können wir anfangen, sein Erbe zu sichten — seine Papiere und Disketten. Das heißt, wenn Sie Lust haben. Was meinen Sie?«
»Glauben Sie, ich könnte mich dabei nützlich machen?«
»Sagen wir: Sie könnten ein nützliches zweites Urteil beisteuern.«
»Ich werde Ihnen gerne helfen. Wonach suchen wir eigentlich?«
»Ich wollte, ich könnte behaupten, daß wir nach seinem Mörder suchen, aber ich bezweifle, daß wir ihn finden werden. Das hier ist schließlich kein Roman, sondern das wirkliche Leben. Ich würde sagen, wir versuchen herauszufinden, was für ein Mensch Parker Foxcroft war.«
Poole ging zur Tür, blieb, die Hand auf dem Türgriff, stehen und drehte sich um. »Ach ja, Nick«, sagte er, »da war noch etwas, das ich Ihnen erzählen wollte. Über Parker Foxcroft.«
»Ja?«
»Mein früherer Agent — der, den ich vor Kay hatte — hat es mir mal erzählt. Sie kennen doch Finlay Norton, oder?«
»Wer kennt ihn nicht?« sagte ich. »Ich bin froh, daß Sie den Agenten gewechselt haben.« Finlay Norton war in Verlegerkreisen dafür bekannt, daß er die Preise für die von ihm vertretenen Bücher unmäßig hoch schraubte.
»Er hat Foxcroft praktisch der Erpressung beschuldigt«, sagte Poole.
»Das ist interessant«, erwiderte ich. »Inwiefern?«
»Offenbar hat Foxcroft Finlay bei irgendeinem krummen Geschäft erwischt — er wollte sich nicht genauer ausdrücken, aber ich habe den Verdacht, daß es etwas Unsauberes war. Ich glaube, es ging um verbotene Absprachen bei einer Auktion. Jedenfalls hat Foxcroft ihn gezwungen, ihm bei den Autoren, die er vertrat, besonders günstige Konditionen einzuräumen.«
»Wenn Sie mich fragen«, sagte ich, »dann hatten die beiden einander verdient.«
Poole lächelte und öffnete die Tür. »Ganz meine Meinung. Das ist auch einer der Gründe, warum ich den Agenten gewechselt habe. Bis morgen, Nick.«
21
A m nächsten Morgen, einem Dienstag, saßen Herbert Poole und ich in Parker Foxcrofts Büro und arbeiteten uns bedrückt durch Berge von Papier.
Foxcrofts Korrespondenz bestand hauptsächlich aus Briefen an Agenten, Autoren und Möchtegern-Autoren sowie gelegentlichen Schreiben an Kritiker, die an einem von Parkers Büchern etwas auszusetzen gefunden hatten.
»Das ist kaum die Art von Hinterlassenschaft, die das Nationalarchiv interessieren würde«, sagte ich zu Poole. »Oder auch nur Parkers alma mater. Soviel ich weiß, war er in Duke.«
Je weiter wir jedoch vordrangen und uns vor allem auch den Computerdateien zuwandten, desto mehr zeichnete sich ein bestimmtes Bild von Parker Foxcroft ab — eine Art Attila der Verlagsbranche.
»Sie haben die unerhörte Vermessenheit besessen, eine Biographie über James Joyce zusammenzustümpern«, schrieb er an einen Literaturwissenschaftler, »obgleich Sie, wenn Sie sich mit der vorhandenen Literatur befaßt hätten, wissen müßten, daß Richard Ellmanns Biographie überragend ist und nicht übertroffen werden kann, jedenfalls nicht zu unseren Lebzeiten und gewiß nicht von jener Art nichtssagender akademischer Faktenhuberei, die Sie produziert haben. Ihr Geschmiere ist nicht einmal ein blasser Abklatsch von Ellmanns Werk.«
Und:
»Wiegen Sie sich nur nicht in der kühnen Hoffnung, ich würde meinen guten Namen für diesen schmutzigen Blick durchs Schlüsselloch hergeben«, wies er einen unverfrorenen Journalisten zurecht, der ihm das Exposé zu einem
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