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Der Besucher - Roman

Der Besucher - Roman

Titel: Der Besucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Waters
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zusammenklappen und hochkant in einem Schrank verstauen kann. Unter der Bettdecke lag, gekleidet in einen Unterrock oder ein ärmelloses Nachthemd, eine Gestalt, die so klein und zierlich war, dass ich sie zuerst für ein Kind hielt. Erst bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass es sich um ein minderwüchsiges junges Mädchen handelte. Als sie mich in der Tür stehen sah, machte sie einen Versuch, sich aufzurichten, ließ sich dann aber auf pathetische Weise in ihr Kissen zurücksinken, als ich näherkam. Ich setzte mich neben sie auf die Bettkante und sagte: »Du heißt Betty, nicht wahr? Ich bin Dr. Faraday. Miss Ayres hat mir erzählt, dass du Bauchschmerzen hattest. Wie geht es dir jetzt?«
    Mit ausgeprägt derbem, ländlichem Akzent erwiderte sie: »Oh bitte, Herr Doktor, mir geht’s ganz furchtbar schlecht.«
    »Musstest du dich übergeben?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Irgendwelche Anzeichen von Diarrhö? Du weißt doch, was das ist?«
    Sie nickte, doch dann schüttelte sie wieder den Kopf.
    Ich klappte meine Tasche auf. »Na schön, dann wollen wir mal nachschauen.«
    Sie öffnete ihre kindlichen Lippen gerade so weit, dass ich ihr die Spitze des Thermometers unter die Zunge schieben konnte, und als ich den Halsausschnitt ihres Nachthemds herunterschob und ihr das kühle Stethoskop auf die Brust setzte, zuckte sie zusammen und stöhnte auf. Da sie hier aus der Gegend kam, hatte ich sie wahrscheinlich schon einmal gesehen, und sei es nur, um ihr eine Schulimpfung zu geben, doch ich konnte mich nicht mehr daran erinnern. Sie war ein wenig einprägsames Mädchen. Ihr farbloses Haar war stumpf geschnitten und wurde seitlich von einer Spange aus der Stirn gehalten. Ihr Gesicht war breit, die weit auseinanderliegenden Augen waren grau und hatten wenig Tiefe, wie es bei hellen Augen oft der Fall ist. Ihre Wangen waren blass und erröteten nur leicht in einem Anflug von Verlegenheit, als ich ihr Nachthemd hinaufschob, um ihren Bauch zu untersuchen, und dabei ihre schäbigen Flanellunterhosen sichtbar wurden.
    Kaum hatte ich die Finger leicht oberhalb ihres Nabels aufgelegt, keuchte sie und schrie auf, ja kreischte beinahe. Ich sagte beruhigend: »Ist ja schon gut. Wo tut es denn am meisten weh? Hier?«
    »Ach! Überall!«, stieß sie hervor.
    »Ist der Schmerz eher stechend, wie ein Messerschnitt? Oder ist es eher ein dumpfer Schmerz? Oder ein Brennen?«
    »Ein dumpfer Schmerz«, jammerte sie. »Aber mit Stichen drin. Und brennen tut es auch! Ah!« Wieder schrie sie auf, wobei sie endlich den Mund weit genug öffnete und dabei eine gesund aussehende Zunge und Kehle und eine Reihe kleiner schiefer Zähne enthüllte.
    »Schon gut!«, sagte ich noch einmal und zog ihr Nachthemd wieder herunter. Nach einer kurzen Besinnungszeit wandte ich mich an Caroline, die mit dem Labrador im Türrahmen stand und besorgt zusah, und bat: »Könnten Sie mich bitte einen Augenblick mit Betty allein lassen, Miss Ayres?«
    Angesichts meines ernst klingenden Tonfalls runzelte sie die Stirn. »Ja, natürlich.«
    Sie gab dem Hund ein Zeichen und zog ihn hinaus in den Korridor. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, räumte ich Stethoskop und Thermometer in meine Tasche und ließ sie mit einem Knall zuschnappen. Ich blickte in das blasse Mädchengesicht und sagte: »Also, Betty. Nun bin ich in einer heiklen Lage. Denn da draußen wartet Miss Ayres, die alles Erdenkliche in die Wege geleitet hat, damit es dir besser geht, und hier sitze ich und weiß ganz genau, dass ich überhaupt nichts für dich tun kann.«
    Sie starrte mich an. Ich wurde noch deutlicher: »Ja glaubst du denn, ich hätte an meinem freien Tag nichts Besseres zu tun, als von Lidcote die fünf Meilen hier heraus zu fahren und mich um unartige kleine Mädchen zu kümmern? Ehrlich gesagt würde ich dich am liebsten nach Leamington überweisen, damit sie dir da den Blinddarm rausnehmen! Dir fehlt überhaupt nichts!«
    Ihr Gesicht lief knallrot an. »Oh doch, Herr Doktor. Mir geht’s wirklich schlecht!«
    »Du bist eine gute Schauspielerin, das muss ich dir lassen. Das ganze Geschrei und Gejammer. Aber wenn ich Schauspieler sehen will, gehe ich lieber ins Theater. Was glaubst du denn, wer mich jetzt bezahlt? Mein Stundenlohn ist nicht gerade niedrig!«
    Das Thema Geld jagte ihr Angst ein. Mit aufrichtiger Verzweiflung sagte sie: »Mir geht’s wirklich schlecht! Wirklich! Mir is letzte Nacht ganz schlecht gewesen. Ganz furchtbar übel. Und da hab ich gedacht

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