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Der Besucher - Roman

Der Besucher - Roman

Titel: Der Besucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Waters
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ab und fragte ohne aufzublicken: »Wissen Sie, wo Rod gerade ist?«
    »Als ich kam, habe ich ihn draußen mit Barrett gesehen«, erwiderte ich. »Sie waren auf dem Weg in die Gemüsegärten. Wieso? Meinen Sie, wir sollten mal mit ihm reden?«
    »Nein, das nicht. Ich wollte nur … Waren Sie in letzter Zeit mal in seinem Zimmer?«
    »In seinem Zimmer? Nein, in der letzten Zeit nicht. Er scheint meinen Besuch dort nicht mehr zu wünschen.«
    »Mich will er anscheinend auch nicht mehr dort haben. Aber vor ein paar Tagen war ich zufällig mal in seinem Zimmer, als er nicht da war, und da ist mir etwas … nun ja, etwas ziemlich Merkwürdiges aufgefallen. Ich weiß nicht, ob das Ihre Epilepsie-These stützt; ich glaube aber eher nicht. Aber würden Sie trotzdem mal mitkommen, damit ich es Ihnen zeigen kann? Wenn Barrett mit Rod unterwegs ist, dann wird es sowieso ewig dauern.«
    Die Idee gefiel mir nicht besonders. »Ich weiß wirklich nicht, ob wir das tun sollten, Caroline. Ich vermute, Rod wäre das nicht recht, oder?«
    »Es dauert auch nicht lange. Und es ist wirklich etwas, was Sie lieber mit eigenen Augen sehen sollten … Bitte, kommen Sie mit. Ich weiß nicht, mit wem ich sonst darüber reden sollte.«
    Auch ich hatte schließlich jemanden gesucht, dem ich meine Eindrücke mitteilen konnte, und mich daher an Caroline gewandt. Und da sie ganz offensichtlich ziemlich beunruhigt war, stimmte ich schließlich zu und folgte ihr durch die Eingangshalle und den Korridor zu Rods Zimmer.
    Es war später Nachmittag. Mrs. Bazeley war bereits nach Hause gegangen, doch als wir uns dem Bogen mit dem Vorhang näherten, der zum Dienstbotentrakt führte, konnten wir gedämpfte Radiostimmen hören, was bedeutete, dass Betty noch in der Küche arbeitete. Caroline warf einen Blick auf den Vorhang, während sie vorsichtig die Klinke an Rodericks Tür herunterdrückte. Sie zuckte zusammen, als das Schloss knarrte.
    »Denken Sie bitte nicht, dass ich für gewöhnlich so etwas tue«, murmelte sie, als wir im Zimmer standen. »Wenn irgendjemand kommt, sage ich einfach, dass wir nach einem Buch suchen. Bitte seien Sie nicht allzu schockiert darüber … Hier, das wollte ich Ihnen zeigen.«
    Ich hatte eigentlich erwartet, dass sie mich zu Rods Schreibtisch und seinen Papieren führen würde. Stattdessen blieb sie an der Tür stehen, die sie gerade geschlossen hatte, und deutete auf das Türblatt.
    Die Tür war wie die Wände des Zimmers mit Eiche vertäfelt, und ebenso wie fast alles auf Hundreds war das Eichenholz nicht mehr im besten Zustand. Ich konnte mir vorstellen, dass das Holz früher einmal einen prachtvollen rötlichen Schimmer besessen hatte, doch nun – wiewohl immer noch eindrucksvoll – war es ausgeblichen und etwas streifig, und einige der Füllungen waren geschrumpft und gerissen. Doch das Paneel, das Caroline mir zeigte, wies eine andere Art von Fleck auf. Er befand sich etwa auf Brusthöhe und war klein und schwarz, wie ein Brandfleck. Er erinnerte mich an den Fleck auf den Dielen in meinem Elternhaus, wo meine Mutter einmal versehentlich ein heißes Bügeleisen abgestellt hatte.
    Ich blickte Caroline fragend an: »Was ist das?«
    »Sagen Sie’s mir.«
    Ich trat näher heran. »Rod hat Kerzen angezündet, und eine ist ihm aus der Hand gefallen?«
    »Das habe ich zuerst auch vermutet. Sehen Sie, gleich da vorn ist auch ein Tisch. Der Generator hat in letzter Zeit mehrmals den Geist aufgegeben. Ich habe mir gedacht, dass Rod aus irgendeinem unerfindlichen Grund den Tisch mit einer brennenden Kerze darauf hier an die Tür gestellt hat und dann vielleicht eingeschlafen ist und dass die Kerze dann umgefallen ist. Ich war ziemlich ärgerlich, wie Sie sich ja sicher vorstellen können. Ich habe ihm gesagt, er solle bitte nie wieder so leichtsinnig sein.«
    »Und was hat er geantwortet?«
    »Er sagte, er hätte überhaupt keine Kerzen angezündet. Wenn der Strom ausfällt, benutze er immer die Lampe da drüben.« Sie deutete auf eine alte Petroleumlampe, die auf einem Sekretär auf der anderen Seite des Zimmers stand. »Mrs. Bazeley hat das bestätigt. Sie hat immer eine Schublade voller Kerzen, falls der Generator ausfällt, und Rod hat, wie sie sagt, keine davon weggenommen. Er sagt, er hätte keine Ahnung, wie der Fleck dahin gekommen ist. Er war ihm auch gar nicht aufgefallen, bis ich ihn darauf hingewiesen hatte. Aber offenbar gefiel ihm der Fleck auch ganz und gar nicht. Er schien ihm … irgendwie nicht ganz geheuer zu

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