Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games
Telefon in der Hand hielt sie einen Moment inne, dann kam sie seiner Bitte nach. Und betätigte den elektrischen Fensterheber. Die Scheibe fuhr fünf Zentimeter herunter.
»Hey, alles okay?«, rief der Mann. Sie konnte zwar sein Gesicht nicht erkennen, doch er hatte eine junge Stimme. »Gibt’s Probleme mit dem Wagen?«
»Alles bestens«, sagte sie ruhig.
Er ging um die Vorderseite seines Autos herum und kam langsam näher.
»Schien, als hätten Sie Probleme. Soll ich Hilfe rufen?«
»Ich telefoniere gerade mit den Cops«, log sie. Sie hatte den Finger auf der 9 und verharrte dort. Los, drück schon, redete sie sich zu. Und dann zweimal die 1. Du schaffst es. Sollte der Typ eine Schrotflinte zücken und dich erschießen, werden deine letzten Minuten wenigstens digital aufgezeichnet.
»Was zum Geier sollte das? So an meiner Stoßstange zu kleben?«
»An Ihrer was? Wovon reden Sie überhaupt? Ich habe auf der Straße die ganze Zeit niemanden gesehen, bis Sie gerade abgebremst haben. Ich wäre Ihnen fast hinten draufgeknallt!«
Der Typ klang ziemlich glaubwürdig. Andererseits, L. A. wimmelte von Menschen, die dafür bezahlt wurden, glaubwürdig zu klingen.
»Schön, lassen wir die Polizei das klären.«
»Okay«, sagte der Mann und blieb stehen. »Ich warte in meinem Wagen, falls Sie nichts dagegen haben. Es ist etwas unheimlich hier, so weit draußen.«
Sie konnte es sich nicht verkneifen – sie warf ihm einen vernichtenden Was-Sie-nicht-sagen -Blick zu.
Doch das war ein Fehler, denn jetzt schaute er sie an – und zwar ganz genau. Er hatte sie erkannt. Seine Augen leuchteten auf, und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem wissenden Lächeln.
»Sie sind Lane Madden . Ist nicht möglich!«
Na klasse. Jetzt war sie nicht mehr irgendeine anonyme wütende Frau auf der Decker Canyon Road. Jetzt musste sie ihre übliche Rolle spielen.
»Hören Sie, mir geht’s gut, wirklich«, sagte sie. »Fahren Sie weiter. Ich hab mir das alles wohl nur eingebildet.«
»Äh, verstehen Sie mich nicht falsch, aber dürfen Sie überhaupt hinterm Steuer sitzen?«
Lanes Gehirn brüllte: Arschloch .
»Mir geht’s gut.«
»Wissen Sie, es macht mir nichts aus zu warten, wenn Sie die Polizei rufen wollen, wenn Sie die Sache melden, oder was immer Sie vorhaben.«
»Wirklich, mir geht’s gut.«
Offensichtlich hatte der Typ gemerkt, dass er mit seinen Anspielungen etwas zu weit gegangen war. Er lächelte verlegen.
»Als ich hierhergezogen bin, habe ich mir geschworen, dass ich nicht eines dieser Arschlöcher werde, die ständig um Autogramme bitten. So einer bin ich nicht. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich ein großer Fan Ihrer Filme bin.«
»Danke.«
»Und in natura sehen Sie noch viel besser aus.«
»Danke, wirklich sehr liebenswürdig.«
Für einen Moment herrschte peinliches Schweigen, dann verstand der Typ ihren Fingerzeig, lief zurück zur Fahrerseite seines Malibu und winkte ihr zaghaft zu, bevor er wieder in seinen Wagen stieg und in die dunkle Nacht verschwand.
Lane raste durch Westlake Village und dann auf den Freeway 101. Es war noch eine Stunde bis Tagesanbruch. Um diese Zeit war auf dem Freeway am wenigsten los. Sie atmete einige Male durch, bis sie einen klaren Kopf bekam. Wenn ihr Gehirn mit genügend Sauerstoff versorgt war, könnte sie über die ganze Sache vielleicht lachen. Denn irgendwie war es schon komisch, jetzt wo es vorbei war.
Irgendwie.
Der Malibu-Typ hatte sie gar nicht verfolgt; er hatte bloß eine Spazierfahrt auf der Decker Canyon Road gemacht – nur zum Vergnügen, so wie sie. Es hatte allerdings so gewirkt, als hätte er es auf sie abgesehen. Tja, er war offensichtlich nur ihrem Beispiel gefolgt. Lane Madden hatte eindeutig zu viele Actionfilme gesehen. Ja, in zu vielen davon mitgespielt.
Sie hatten sie am Cahuenga Pass in der Nähe des Barham Boulevard abgepasst – ein Team aus zwei Autos. Malibu hatte das bereits Dutzende Male gemacht. Seine Berufsbezeichnung: professionelles Opfer. Man spähte im Rückspiegel die Zielperson aus und absolvierte eine Reihe unscheinbarer Manöver, die nur ein echter Spitzenfahrer draufhatte. Eine leichte Drehung des Lenkrads, ein kurzer Tritt auf die Bremse, und ratzfatz, fertig war der Blechschaden. So was passierte ständig.
Das war der spaßige Teil. Was danach kam, war langweilig. Blutend im eigenen Wagen zu warten, bis die Highway Patrol eintraf und die Rettungssanitäter einen ins nächste Krankenhaus gebracht
Weitere Kostenlose Bücher