Der Bierzauberer
Wallenborner abfinden müssen.
Die letzte Reise im Umland
führte ihn nach Norden zur Fürstabtei Prüm, einem der größten Machtfaktoren der
ganzen Region. Schon in seiner Klosterzeit hatte er von dieser Abtei gehört. Bruder
Thomas hatte ihm in Urbrach darüber erzählt. Die Abtei war bereits über 500 Jahre
alt und war seinerzeit von König Pippin und seiner Frau Bertrada der Jüngeren, der
Mutter Karls des Großen, gegründet worden. Obwohl sie zweimal von den Normannen
niedergebrannt worden war, war sie immer wieder aufgebaut worden. Prüm hatte stets
hoch in der Gunst der Karolinger gestanden, wohl auch, weil Karl der Große der Legende
nach hier geboren worden war und Kaiser Lothar I. hier begraben lag. Von Lothar
stammte der bekannte Ausspruch ›Omnia mutantur, nos et mutamur in illis. – Alles
ändert sich, und wir ändern uns mit ihm‹. Diesen Spruch wollte sich Niklas zum Motto
nehmen, so genau passte er auf ihn und sein Wanderleben. Und er gefiel ihm besser
als das ebenso bekannte Gedicht, in dem es hieß: ›Alles, was sich verändert, verliert
seinen Wert.‹ Er war gerade dabei, sich zu verändern, wollte aber nicht schlechter
werden.
Der Besitz der Abtei war riesig
und reichte bis zur Bretagne und zur Rhône. Ungezählte Orte, unter anderem in der
Eifel und an der Ahr, auf dem Taunus, in der Umgebung von St. Goar, in Frankreich,
Belgien und den Niederlanden gehörten dazu. Um den weitläufigen Besitz zu verwalten,
waren der Abtei Prüm Vogteien und Filialklöster unterstellt, darunter Revin in Frankreich,
Güsten bei Jülich, Münstereifel, Kesseling an der Ahr und Altrip. Berühmt war die
Abtei nicht zuletzt aufgrund ihrer Klosterschule. In Prüm hatten neben anderen St.
Markward, der Berater Ludwigs des Frommen, die heiliggesprochenen Ado von Vienne,
Ansbald und Hungerus Frisius sowie der Dichter Wandalbert gelebt. Der berühmte Geschichtsschreiber
Regino war vor 300 Jahren Abt von Prüm gewesen. Seit ungefähr 50 Jahren war die
Abtei ein eigenes Fürstentum, von Kaiser Friedrichs II. Gnaden, das mit eigener
Stimme auf den Reichstagen vertreten war. Die wachsende Macht der Abtei hatte den
Neid anderer Mächte hervorgerufen, vor allem der Kurfürsten von Trier. Und unter
den Leidtragenden waren fast immer die Bitburger gewesen.
Als Niklas
nun in Prüm vorsprach, hieß der Abt Walter von Blankenheim. Walter war ein mürrischer,
alter Mann, der anscheinend keine Freude mehr am Leben hatte. Klein und gedrungen
von Gestalt, empfing er ihn in einem für seine Größe viel zu großen, thronartigen,
hölzernen Prachtsessel sitzend, in dem er beinahe verschwand.
Niklas
fühlte sich gleich unbehaglich in seiner Gegenwart.
»Was wollt
Ihr von uns?«, herrschte Walter von Blankenheim Niklas an.
Niklas
erläuterte sein Anliegen und wurde kurz und knapp beschieden:»Wir trinken wenig
Bier, wir haben eigene Weingüter an der Ahr und der Wein von dort ist köstlich.
Mögen auch andere Klöster eine Vorliebe für diese stinkende Getreidesuppe haben,
wir nicht. Zumindest nicht, solange ich hier das Sagen habe. Und nun trollt Euch,
Ihr stehlt mir meine kostbare Zeit.«
Niklas
fuhr unverrichteter Dinge wieder nach Hause, grämte sich aber nicht zu lange. Es
gab hinreichend Möglichkeiten, Bier zu verkaufen.
7
Jetzt musste er sich aber
noch um die Versorgung der Brauerei kümmern. Getreide, Fässer und alles, was man
sonst noch brauchte, gab es in Bitburg zu kaufen. Niklas hatte beschlossen, nicht
mit den Tonkrügen zu arbeiten, die sonst zur Lagerung und zum Transport des Bieres
verwendet wurden, sondern, wie er es in St. Gallen gesehen hatte, mit hölzernen,
gepichten Fässern.
Lediglich
die Versorgung mit Hopfen bereitete ihm Sorgen. Man hatte in Bitburg bislang nur
Gruitbier gebraut. Die Gruit bestand hauptsächlich aus Blättern des Gagelstrauchs,
einem Myrtengewächs. Diese betäubend duftende Pflanze, deren starkes Aroma ein wenig
an Lorbeer erinnerte, wurde meistens von Bäckereien als Gewürz verwendet und daher
vielfach Bäckerhusch genannt. Für Niklas war klar, Bäckerhuschbier kam nicht infrage.
Also setzte er eine Prämie aus für den, der in Bitburg oder im Umkreis Hopfen finden
würde.
Innerhalb
von einer Woche kam die gute Nachricht: In Holsthum, etwa 15 Kilometer entfernt,
gab es wilden Hopfen. Niklas fuhr hin und erntete ihn ab. Dann sprach er mit den
Bauern, auf deren Land dieser Hopfen wuchs, den man bislang als Unkraut betrachtet
hatte. Sie versprachen, den Hopfen
Weitere Kostenlose Bücher