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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Gedächtnisstrang, der in Vinces Stimme vorgetragen wurde. Brahma, der Schöpfer, Vishnu, der Erhalter, Shiva, der Zerstörer.
    Trotz allem, trotz des liebevollen Blicks und der zuckersüßen Stimme bewegte sich Sandras Messer nicht von der Kehle ihres Vaters fort. Die Klinge hielt Shaper wie ein schreckliches Versprechen zurück, wie ein unsichtbarer Vorhang der Kausalität, der ihn trotz aller Wut davon abhielt zu handeln.
    »Sandra!«, fuhr er sie an. »Fossey ist weg! Fossey ist weg, und an Ihren Händen klebt zu viel Blut! Ihre beschissene Behandlung wird das nicht reinigen!« Er beugte sich weiter vor, sonnte sich in der Gegenwart des alten Mannes und senkte die Stimme wie einen angriffsbereiten Speer. »Es klebt an Ihnen, Sandra«, flüsterte er. »Sie können es nicht abwaschen.«
    Allerdings hörte ihm die Frau nicht zu. Stattdessen spähte sie ihn aus verengten Augen an, als richte sie den Blick starr auf ein Detail statt auf die Gesamtheit. Sie legte den Kopf schief, bis er beinah waagerecht verhaarte.
    »An mir?«, fragte sie.
    »Weg mit dem Messer. Ich mein’s ernst!«
    »Sie denken … Sie denken, wir hätten das für uns selbst getan? Fossey und ich?«
    »Sandra!«
    Und sie lächelte das schleichende, schaurige Lächeln von jemandem, der gewiss ist, dass die Initiative ihm gehört.
    »Sie verstehen es nicht«, stellte sie fest. »Oder? Sie verstehen es immer noch nicht.«
    »Nehmen Sie einfach das Messer weg.«
    Ohne die Klinge zu bewegen, drehte sie sich zur Seite, und mit einer theatralischen Geste zog sie das Laken weg, das ihren Sohn verhüllte.
    Und letztlich – endlich – wurde Shaper haargenau klar, wie wahnsinnig sie wirklich war.
    Irgendwo hinter ihm zischte Mary wie eine Schlange.
    Freddie war nackt. Missgebildet und zitternd wurde er von Stoffstreifen an die beiden Seiten des Rollbetts gefesselt … und er war vorbereitet worden.
    Die Souvenirs.
    Die fehlenden Teile   …
    Sie lagen wie ein schreckliches Diagramm über seinen Körper verteilt; Knochen und Stücke sterbenden Fleisches. Jedes wurde von einem bunten Band und zwei langen Nadeln fixiert, eine abscheuliche Akupunktur, die ebenso schmerzhaft wie präzise aussah.
    Wie verfluchte Fleischschmetterlinge.
    Unter den Hoden des Jungen war ein winziges, durch eine rote Schnur gefädeltes Knöllchen aus poliertem Elfenbein zwischen seinen klobigen Beinen angebracht. Die Genitalien des Jungen wurden von einem zottigen, runzligen Schurz aus Fleisch verdeckt, befestigt mit einem orangefarbigen Riemen und weiteren Nadeln. Weiter oben, über der Masse des ungleichmäßigen Bauchs, prangte eine unförmige Knorpelkette an einem sonnenhellen Band, und noch höher befand sich eine erkennbarere, wenngleich verschrumpelte Trophäe: ein menschliches Herz in einer grünen Satinhülle. Am Hals, den zuvor das Laken verdeckt hatte, fixierte ein himmelblauer Kragen ein Prisma gummiartigen Knorpelgewebes, und während Shaper hinsah, gelähmt vorentsetzter Ehrfurcht, holte Sandra schwungvoll ein weißes Band aus einer Tasche hervor und brachte es über den Augen des Jungen an. In den Stoff eingenäht verbreiteten zwei klumpige Formen Feuchtigkeit über das Gewebe der Augenbinde, und Shaper musste unwillkürlich einen Blick zu Mary werfen.
    Karls Augen.
    Mary war zu sehr damit beschäftigt zu würgen, um es zu bemerken.
    Shapers Sinne rebellierten erneut, suchten den grauenhaften Anblick wie ein Dschinn heim, der in einer Flasche nach Befreiung schreit. Er kämpfte dagegen an, indem er wiederholt den Körper anspannte, als habe er Magenkrämpfe. Sandra erübrigte nur einen vagen Blick für ihn. Sie zeigte keinerlei Interesse an seinen Zuckungen und murmelte stattdessen wieder ihre Mantras, wobei sie den Skalp wie eine Lumpenpuppe schwenkte.
    Unverhohlen fluchend führte Shaper den spärlichen Resten seines rationalen Gehirns Energie zu und spürte, wie sich im Öl seiner Fantasie etwas regte. Es glitschte auf das Puzzle zu, das er in seinem Schädel gelegt hatte, und verschmierte sich über sämtliche Teile, veränderte sie, verdunkelte sie, durchtränkte sie wie Alkohol …
    Was hat Tova gewusst? , ging ihm durch den Verstand, der dabei an seiner Verankerung zerrte. Was hat Sandra mit ihrem »Hintergrund« gemeint. Und welches »Fachgebiet«?
    Welches Geheimnis hätte sie aufdecken können?
    Wie in einem Traum schien Sandra seine schwächelnden Gedankengänge wahrzunehmen. Sie hielt inne und beobachtete ihn mit einem sich ausbreitenden Lächeln. Sie

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