Der blaue Express
widersprechen, Monsieur Poirot…»
«Ich habe nur eine Meinung geäußert», beeilte Poirot sich zu erklären. «Der Fall liegt selbstverständlich in Ihren Händen, und Sie werden tun, was Sie für richtig halten.»
«Ich meinerseits bin davon überzeugt, dass der Comte de la Roche derjenige ist, den wir schnappen müssen», sagte Carrège. «Stimmen Sie mir zu, Monsieur le Commissaire?»
«Vollkommen.»
«Und Sie, Monsieur Van Aldin?»
«Ja», sagte der Millionär. «Ja, dieser Mann ist ein Schurke durch und durch, da gibt es keinen Zweifel.»
«Es wird schwer sein, ihn zu fassen», sagte der Untersuchungsrichter, «aber wir werden unser Bestes tun. Es werden sofort telegraphische Anweisungen hinausgehen.»
«Gestatten Sie mir, Ihnen zu helfen», sagte Poirot. «Da dürfte es keine Probleme geben.»
«Eh?»
Die anderen starrten ihn an. Der kleine Mann lächelte strahlend zurück.
«Es ist mein Beruf, alles zu wissen», erklärte er. «Der Comte ist ein intelligenter Mann. Im Moment befindet er sich in einer Villa, die er gemietet hat, in der Villa Marina in Antibes.»
Sechzehntes Kapitel
Poirot erörtert den Fall
A lle sahen Poirot respektvoll an. Zweifellos hatte der kleine Mann einen schweren Treffer gelandet. Der Kommissar lachte – aber es klang ein wenig hohl.
«Sie bringen uns bei, wo es langgeht», rief er. «Monsieur Poirot weiß mehr als die Polizei.»
Poirot starrte selbstgefällig zur Decke hinauf, in gespielter Bescheidenheit.
«Was wollen Sie, es ist mein kleines Hobby, dies und das zu wissen», murmelte er. «Natürlich habe ich Zeit, mich damit zu amüsieren. Ich bin ja nicht von Pflichten überlastet.»
«Ah!», sagte der Kommissar und schüttelte gewichtig den Kopf. «Was mich betrifft…»
Er machte eine übertriebene Geste, die andeuten sollte, welche Sorgen auf seinen Schultern lasteten.
Poirot wandte sich plötzlich an Van Aldin.
«Stimmen Sie dem zu, Monsieur? Sind Sie sicher, dass der Comte de la Roche der Mörder ist?»
«Sieht doch so aus – ja, gewiss.»
Eine gewisse Zurückhaltung in der Antwort brachte den Untersuchungsrichter dazu, den Amerikaner neugierig anzuschauen. Van Aldin war sich des forschenden Blickes bewusst und schien einen Vorbehalt abschütteln zu wollen.
«Was ist mit meinem Schwiegersohn?», fragte er. «Haben Sie ihn schon unterrichtet? Er ist in Nizza, soviel ich weiß.»
«Gewiss, Monsieur.» Der Kommissar zögerte und murmelte dann sehr diskret: «Es ist Ihnen zweifellos bekannt, Monsieur Van Aldin, dass Monsieur Kettering in jener Nacht ebenfalls Fahrgast des Blauen Express war?»
Der Millionär nickte.
«Habe ich gehört, bevor ich London verließ», sagte er lakonisch.
«Er sagt», fuhr der Kommissar fort, «er habe keine Ahnung davon gehabt, dass seine Frau in diesem Zug war.»
«Darauf würde ich wetten», sagte Van Aldin grimmig. «Es wäre ein ziemlich scheußlicher Schreck für ihn gewesen, ihr da zu begegnen.»
Die drei Männer sahen ihn fragend an.
«Ich will kein Blatt vor den Mund nehmen», sagte Van Aldin heftig. «Kein Mensch weiß, was mein armes Mädchen hat wegstecken müssen. Derek Kettering war nicht allein. Er hatte eine Dame dabei.»
«Ah?»
«Mirelle – die Tänzerin.»
Monsieur Carrège und der Kommissar tauschten Blicke und nickten wie zur Bestätigung eines früheren Gesprächs. Carrège lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, faltete die Hände und heftete die Augen an die Decke.
«Ah!», murmelte er wieder. «Man fragt sich…» Er hustete. «Man hat Gerüchte gehört.»
«Die Dame», sagte Monsieur Caux, «ist berüchtigt.»
«Und», murmelte Poirot sanft, «sehr teuer.»
Van Aldin war sehr rot geworden. Er beugte sich vor und knallte die Faust auf den Tisch.
«Mein Schwiegersohn», schrie er, «ist ein verdammter Schurke!»
Er funkelte sie an, sah von einem Gesicht zum anderen.
«Ach, ich weiß nicht», fuhr er fort. «Gutes Aussehen und eine charmante, lockere Art. Anfangs bin ich auch darauf hereingefallen. Hat wahrscheinlich so getan, als ob ihm das Herz bricht, als Sie ihn über den Tod meiner Tochter informiert haben – das heißt, wenn er es nicht schon gewusst hat.»
«Es war durchaus eine Überraschung für ihn. Er war überwältigt.»
«Verdammter Heuchler», sagte Van Aldin. «Hat Ihnen die große Trauer vorgespielt, was?»
«N-nein», sagte der Kommissar vorsichtig. «Das würde ich nicht gerade sagen – wie, Monsieur Carrège?»
Der Richter legte die Fingerspitzen aneinander
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