Der blaue Express
nehme an, Sie waren immer schon ein Spieler. Das Spiel an sich lockt Sie.»
«Jeden Tag und auf jede Art ein Spieler? Sie mögen Recht haben. Finden Sie denn nichts Aufreizendes daran? Alles auf eine Karte setzen – es gibt nichts Vergleichbares.»
Sie hatte sich immer für ruhig und besonnen gehalten, aber nun empfand Katherine etwas wie ein Erschauern – eine Art Bestätigung.
«Ich möchte mit Ihnen sprechen», fuhr Derek fort, «und wer weiß, wann sich mir wieder eine Gelegenheit dazu bietet? Es wird gemunkelt, ich hätte meine Frau ermordet – nein, bitte unterbrechen Sie mich nicht. Es ist natürlich Unsinn.» Er hielt einen Augenblick inne und fuhr dann in entschiedenerem Ton fort. «Beim Umgang mit der Polizei und den hiesigen Behörden musste ich natürlich eine gewisse – na ja – Anständigkeit an den Tag legen. Ihnen aber möchte ich nichts vormachen. Ich wollte Geld heiraten. Ich war auf der Suche nach Geld, als ich Ruth Van Aldin das erste Mal gesehen habe. Sie hatte etwas von einer schlanken Madonna an sich, und ich – na ja –, ich habe alle möglichen guten Vorsätze gehabt und wurde bitter enttäuscht. Meine Frau hat einen anderen geliebt, als sie mich heiratete. Sie hat sich nie das Geringste aus mir gemacht. Ich will mich nicht beklagen, es war ein absolut reelles Geschäft. Sie wollte Leconbury und ich wollte Geld. Der ganze Ärger kam einfach aus Ruths amerikanischer Herkunft. Ich war ihr völlig gleichgültig, und trotzdem wollte sie, dass ich pausenlos um sie herumscharwenzelte. Immer wieder hat sie mir mehr oder weniger deutlich gesagt, dass sie mich gekauft hat und dass ich ihr gehöre. Die Folge war, dass ich mich ihr gegenüber scheußlich benommen habe. Mein Schwiegervater wird Ihnen das sagen, und er hat ganz Recht. Zur Zeit von Ruths Tod stand ich vor der absoluten Katastrophe.» Er lachte plötzlich auf. «Man steht eben vor der absoluten Katastrophe, wenn man es mit einem Mann wie Rufus Van Aldin zu tun hat.»
«Und dann?», fragte Katherine leise.
«Und dann» – Derek zuckte die Schultern – «wurde Ruth ermordet. In einem sehr günstigen Moment.»
Er lachte, und der Klang seines Lachens tat Katherine weh. Sie verzog das Gesicht.
«Ja», sagte Derek, «das war ziemlich geschmacklos. Aber es ist wahr. Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen. Von dem Augenblick an, da ich Sie zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, dass Sie die einzige Frau auf der Welt für mich sind. Ich hatte – Angst vor Ihnen. Ich fürchtete, Sie würden mir Unglück bringen.»
«Unglück?», sagte Katherine scharf.
Er starrte sie an. «Warum wiederholen Sie das so? Was geht Ihnen durch den Kopf?»
«Ich dachte an etwas, das man mir erzählt hat.»
Derek grinste plötzlich. «Man wird Ihnen einiges über mich erzählen, und das meiste davon wird stimmen. Ja, auch schlimmere Dinge – Dinge, die ich Ihnen nie erzählen werde. Ich bin immer ein Spieler gewesen – und ich habe einiges riskiert. Ich will nicht bei Ihnen beichten, weder jetzt noch irgendwann später. Die Vergangenheit ist vorbei. Aber es gibt eines, von dem ich wünschte, Sie könnten es mir glauben. Ich schwöre Ihnen feierlich, dass ich meine Frau nicht umgebracht habe.»
Die Worte klangen durchaus ernst, und doch lag etwas Theatralisches in ihnen. Er sah ihren bekümmerten Blick und fuhr fort:
«Ich weiß. Neulich habe ich gelogen. Es war das Abteil meiner Frau, in das ich gegangen bin.»
«Ah», sagte Katherine.
«Es ist schwer zu erklären, warum ich hineingegangen bin, aber ich will es versuchen. Ich habe einem Impuls gehorcht. Wissen Sie, ich habe meiner Frau mehr oder minder nachspioniert. Im Zug habe ich mich außer Sichtweite gehalten. Mirelle hatte mir erzählt, dass sie in Paris den Comte de la Roche treffen würde. Also, soweit ich gesehen hatte, war das nicht der Fall. Ich habe mich geschämt und dachte plötzlich, es wäre gut, all das ein für alle Mal mit ihr zu klären, also habe ich die Tür aufgemacht und bin hineingegangen.»
Er machte eine Pause.
«Ja», sagte Katherine sanft.
«Ruth hat in dieser Koje gelegen und geschlafen – ihr Gesicht war von mir weggedreht – ich konnte nur ihren Hinterkopf sehen. Natürlich hätte ich sie wecken können. Aber plötzlich wurde mir ganz anders. Was hätte es denn da noch zu sagen gegeben, was wir uns nicht schon hundertmal gesagt hatten? Sie sah so friedlich aus, wie sie da lag. Ich habe das Abteil so leise verlassen, wie ich gekommen war.»
«Warum sagen Sie
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