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Der blaue Express

Der blaue Express

Titel: Der blaue Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sagte Derek grimmig.
    Wieder starrte sie ihn an. Dann lächelte sie plötzlich und nickte.
    «Natürlich. Das war zu erwarten. Ce type-là, das sieht ihm ähnlich. Ich hätte es wissen müssen. Nein, Derek, ich habe ihn wirklich nicht zu dir geschickt.»
    Er sah sie durchdringend an, als wolle er ihre Gedanken lesen.
    «Ich will es dir erzählen», sagte Mirelle. «Ich schäme mich, aber ich erzähle es dir. Neulich, weißt du, war ich wahnsinnig vor Wut, ganz rasend», sie machte eine beredte Geste. «Mein Temperament… Ich bin ja nicht geduldig. Ich wollte mich an dir rächen, und deshalb bin ich zum Comte de la Roche gegangen und habe ihm gesagt, er soll zur Polizei gehen und die Aussage machen. Aber keine Angst, Derek, ganz habe ich den Kopf nicht verloren. Der Beweis ist in meinen Händen. Ohne mein Wort kann die Polizei nichts tun, verstehst du? Und jetzt – jetzt?»
    Sie drängte sich an ihn, blickte ihn mit schmelzenden Augen an.
    Er stieß sie grob von sich. Sie stand da, ihre Brust hob und senkte sich, die Augen verengten sich zu katzenhaften Schlitzen.
    «Nimm dich in Acht, Derek, nimm dich in Acht! Du bist doch zu mir zurückgekommen, oder nicht?»
    «Ich werde nie zu dir zurückkehren», sagte Derek ruhig.
    «Ah!»
    Mehr denn je glich die Tänzerin jetzt einer Katze. Ihre Lider zuckten.
    «Du hast eine andere Frau? Die, mit der du neulich gegessen hast. Eh! Hab ich Recht?»
    «Ich werde diese Dame bitten, meine Frau zu werden. Das kannst du ruhig erfahren.»
    «Diese gezierte Engländerin? Meinst du, das würde ich zulassen! Niemals!» Ihr schöner, geschmeidiger Körper zitterte. «Hör zu, Derek, erinnerst du dich an unser Gespräch in London? Du hast gesagt, das Einzige, was dich retten könnte, wäre der Tod deiner Frau. Du hast bedauert, dass sie so gesund ist. Dann kam dir die Idee mit dem Unfall. Und mehr als nur ein Unfall.»
    «Ich nehme an», sagte Derek verächtlich, «dieses Gespräch hast du dem Comte de la Roche gegenüber wiederholt.»
    Mirelle lachte.
    «Für wie dumm hältst du mich? Könnte die Polizei mit einer so vagen Geschichte etwas anfangen? Hör zu – ich gebe dir eine letzte Chance. Du wirst diese Engländerin aufgeben. Du kommst zu mir zurück. Und dann, chéri, wird niemals – niemals jemand erfahren, dass ich…»
    «Dass du was?»
    Sie lachte leise. «Du meinst, niemand hätte dich gesehen…»
    «Was soll das heißen?»
    «Wie gesagt, du meinst, niemand hätte dich gesehen – aber ich habe dich gesehen, Derek, mon ami; ich habe gesehen, wie du aus dem Abteil deiner Madame gekommen bist, in dieser Nacht, kurz bevor der Zug Lyon erreicht hat. Und ich weiß noch mehr. Ich weiß, dass deine Frau tot war, als du aus dem Abteil gekommen bist.»
    Er starrte sie an. Dann, wie ein Schlafwandler, drehte er sich sehr langsam um, ging aus dem Zimmer, und dabei taumelte er ganz leicht.

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Eine Warnung
     
    « A lso, es bleibt dabei», sagte Poirot, «dass wir gute Freunde sind und keine Geheimnisse voreinander haben.»
    Katherine wandte den Kopf, um Poirot anzusehen. Etwas lag in seiner Stimme, ein Unterton von Ernst, den sie bisher nicht gehört hatte.
    Sie saßen in den Parkanlagen von Monte Carlo. Katherine war mit ihren Freunden hergekommen, und gleich bei der Ankunft waren sie Knighton und Poirot begegnet. Lady Tamplin hatte sich Knightons bemächtigt und überwältigte ihn mit Erinnerungen, die Katherine für größtenteils erfunden hielt. Sie waren losgezogen, Lady Tamplin mit der Hand auf dem Arm des jungen Mannes. Knighton hatte ihnen ein paar Blicke über die Schulter zugeworfen, und als er sie sah, zwinkerten Poirots Augen ein wenig.
    «Natürlich sind wir Freunde», sagte Katherine.
    «Wir hatten von Beginn an ein gegenseitiges Einverständnis», sann Poirot.
    «Seit Sie mir sagten, dass sich auch im wirklichen Leben ein roman policier ereignen kann?»
    «Und hatte ich etwa nicht Recht?» Er forderte sie mit emphatisch erhobenem Zeigefinger heraus. «Wir befinden uns doch mitten in einem. Für mich ist das ganz natürlich – es ist mein métier –, aber für Sie ist das anders. Ja», setzte er in nachdenklichem Ton hinzu, «für Sie ist das etwas anderes.»
    Sie sah ihn scharf an. Es war, als wolle er sie warnen, warnen vor einer Bedrohung, die sie noch nicht gesehen hatte.
    «Warum sagen Sie, dass ich mitten darin bin? Ich hatte zwar dieses Gespräch mit Mrs Kettering, kurz bevor sie gestorben ist, aber jetzt – jetzt ist das alles vorbei.

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