Der blaue Express
«Ich schwöre beim Himmel» – er hob eine Hand – «dass ich unschuldig bin.»
«Der zuständige Juge d’ Instruction für diesen Fall ist, soviel ich weiß, Monsieur Carrège», sagte Derek höflich.
Der Comte reagierte nicht darauf.
«Nicht nur werde ich zu Unrecht eines Verbrechens beschuldigt, das ich nicht begangen habe, sondern ich brauche auch dringend Geld.»
Er hustete sanft und bedeutsam.
Derek stand auf.
«Darauf habe ich gewartet», sagte er leise, «Sie elender Erpresser! Keinen Penny bekommen Sie von mir. Meine Frau ist tot, und kein Skandal, den Sie jetzt inszenieren, wird sie noch treffen. Sie hat Ihnen törichte Briefe geschrieben, nehme ich an. Wenn ich sie Ihnen in diesem Moment für eine runde Summe abkaufte, würden Sie, da bin ich sicher, zufällig einen oder zwei behalten. Und ich sage Ihnen eines, Monsieur de la Roche, Erpressung ist ein hässliches Wort in England wie in Frankreich. Das ist meine Antwort. Guten Tag.»
«Einen Moment». Der Comte streckte eine Hand aus, als Derek sich umdrehte, um den Raum zu verlassen. «Sie irren sich, Monsieur. Ich bin ein Gentleman.» Derek lachte.
«Briefe, die eine Dame an mich richtet, sind mir heilig.» Er hob den Kopf in einer hübschen Gebärde des Edelmuts. «Das Geschäft, das ich Ihnen vorschlagen will, ist ganz anderer Natur. Ich bin, wie ich sagte, in Geldnot, und mein Gewissen könnte mich dazu veranlassen, mit gewissen Informationen zur Polizei zu gehen.»
Derek kam langsam zurück in den Salon.
«Was wollen Sie damit sagen?»
Das angenehme Lächeln des Comte blitzte wieder auf.
«Ich muss doch sicher nicht ins Detail gehen», säuselte er. «Sieh nach, wem das Verbrechen nützt, sagt man doch, oder? Wie eben bereits bemerkt sind Sie kürzlich zu recht viel Geld gekommen.»
Derek lachte.
«Wenn das alles ist…», sagte er verächtlich.
Aber der Comte schüttelte den Kopf.
«Das ist nicht alles, eher Monsieur. Ich käme nicht zu Ihnen, wenn ich nicht viel genauere und eingehendere Informationen hätte. Es ist nicht angenehm, Monsieur, wegen Mordes verhaftet und verurteilt zu werden.»
Derek trat ganz nah an ihn heran. Sein Gesicht drückte eine derart maßlose Wut aus, dass der Comte unwillkürlich einen oder zwei Schritte zurückwich.
«Wollen Sie mir drohen?», fragte der junge Mann wütend.
«Sie würden nie wieder etwas von der Angelegenheit hören», versicherte der Comte.
«Ich habe schon viele unverschämte Bluffs erlebt, aber…»
Der Comte hob eine weiße Hand.
«Sie irren sich. Das ist kein Bluff. Um Sie zu überzeugen, will ich Ihnen Folgendes sagen. Meine Information stammt von einer gewissen Dame. Sie ist diejenige, die den unwiderleglichen Beweis dafür hat, dass Sie den Mord begangen haben.»
«Sie? Wer?»
«Mademoiselle Mirelle.»
Derek fuhr zurück, als habe man ihn geschlagen.
«Mirelle», murmelte er.
Der Comte beeilte sich, das zu nutzen, was er für seinen Vorteil hielt.
«Eine Bagatelle von hunderttausend Francs», sagte er. «Mehr verlange ich nicht.»
«Eh?», sagte Derek geistesabwesend.
«Ich sagte, Monsieur, dass eine Bagatelle von hunderttausend Francs mein – Gewissen beschwichtigen würde.»
Derek schien sich wieder zu sammeln. Ernst sah er den Comte an.
«Sie erwarten sofortige Antwort?»
«Bitte sehr, Monsieur.»
«Hier ist sie. Scheren Sie sich zum Teufel. Klar?»
Er ließ den Comte, der zu verblüfft war, um etwas zu sagen, stehen, drehte sich auf dem Absatz herum und ging aus dem Salon.
Vor dem Hotel winkte er einem Taxi und fuhr zu Mirelles Hotel. Als er sich erkundigte, sagte man ihm, die Tänzerin sei vor wenigen Minuten zurückgekehrt. Er gab dem Concierge seine Karte.
«Bringen Sie das Mademoiselle und fragen Sie sie, ob sie mich empfangen könnte.»
Nach kurzer Zeit wurde Derek gebeten, einem Pagen zu folgen.
Als er über die Schwelle zur Suite der Tänzerin trat, füllte eine Woge exotischer Düfte Dereks Nase. Der Raum war überfüllt von Nelken, Orchideen und Mimosen. Mirelle stand in einem peignoir aus schäumenden Spitzen am Fenster.
Sie kam ihm mit ausgestreckten Händen entgegen.
«Derek – du bist gekommen. Ich wusste, dass du zu mir kommen würdest!»
Er entwand sich ihren Armen und blickte sie finster an.
«Warum hast du den Comte de la Roche zu mir geschickt?»
Sie betrachtete ihn mit einer Verblüffung, die er für echt hielt.
«Ich? Ich soll den Comte de la Roche zu dir geschickt haben? Aber wozu?»
«Offenbar – zu einer Erpressung»,
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