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Der blaue Express

Der blaue Express

Titel: Der blaue Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Ihre Verpflichtungen in London einfach im Stich zu lassen und an die Riviera zu reisen?»
    Mirelle schaute ihn aus schmelzenden schwarzen Augen an.
    «Ich wollte bei dem Mann sein, den ich liebte», sagte sie schlicht. «Ist das so unnatürlich?»
    Poirot schob behutsam eine Frage ein.
    «Sie haben Monsieur Kettering also auf seinen Wunsch nach Nizza begleitet?»
    Mirelle schien die Beantwortung dieser Frage ein wenig schwierig zu finden. Sie zögerte merklich, bevor sie sprach. Als sie es tat, geschah es mit hochmütiger Gleichgültigkeit.
    «In solchen Dingen tue ich das, was mir passt, Monsieur», sagte sie.
    Keinem der drei Männer entging, dass diese Antwort eigentlich keine war. Sie sagten nichts dazu.
    «Wann sind Sie zu der Überzeugung gelangt, dass Monsieur Kettering seine Gattin ermordet hat?»
    «Wie ich Ihnen schon sagte, Monsieur, habe ich Monsieur Kettering, unmittelbar bevor der Zug in Lyon einfuhr, aus dem Abteil seiner Frau kommen sehen. Auf seinem Gesicht war ein Ausdruck – ah!, in dem Moment konnte ich ihn nicht verstehen – ein gehetzter Ausdruck, furchtbar. Ich werde das nie vergessen.»
    Ihre Stimme war hoch und schrill geworden, und sie warf ihre Arme in einer extravaganten Geste empor.
    «Ah ja», sagte Monsieur Carrège.
    «Hinterher, als ich erfahren habe, dass Madame Kettering tot war, als der Zug Lyon verließ – da habe ich es gewusst!»
    «Und dennoch sind Sie nicht zur Polizei gegangen, Mademoiselle», sagte der Kommissar mild.
    Mirelle sah ihn groß an; sie gefiel sich augenscheinlich in der Rolle, die sie spielte.
    «Soll ich meinen Geliebten verraten?», fragte sie. «Ah nein, das dürfen Sie von einer Frau nicht verlangen.»
    «Aber jetzt…», warf Monsieur Caux ein.
    «Jetzt ist es anders. Er hat mich betrogen! Soll ich das schweigend hinnehmen?»
    Der Untersuchungsrichter bremste sie.
    «Ganz recht, ganz recht», murmelte er beruhigend. «Und jetzt, Mademoiselle, möchten Sie vielleicht das Protokoll Ihrer Aussage durchlesen, die Korrektheit prüfen und es unterzeichnen.»
    Mirelle vergeudete keine Zeit mit dem Dokument.
    «Ja, ja», sagte sie, «alles ist richtig.» Sie stand auf. «Sie brauchen mich nicht länger, Messieurs?»
    «Augenblicklich nicht, Mademoiselle.»
    «Und Derek wird verhaftet?»
    «Unverzüglich, Mademoiselle.»
    Mirelle lachte grausam und drapierte sich enger in ihr Pelzcape.
    «Er hätte daran denken sollen, bevor er mich beleidigt», rief sie.
    «Nur noch eine Kleinigkeit…», Poirot räusperte sich, als ob er um Entschuldigung bäte, «wirklich eine Kleinigkeit.»
    «Ja?»
    «Woraus schließen Sie, dass Madame Kettering tot war, als der Zug Lyon verließ?»
    Mirelle starrte ihn an.
    «Aber sie war doch tot.»
    «So, sie war tot?»
    «Natürlich, ich…»
    Sie hielt jäh inne. Poirot musterte sie eindringlich und sah den Argwohn in ihren Augen.
    «Man hat es mir so erzählt. Alle sagen es.»
    «Oh», sagte Poirot, «ich wusste nicht, dass die Tatsache außerhalb dieses Büros erwähnt worden ist.»
    Mirelle schien ein wenig in Auflösung begriffen.
    «Man hört solche Dinge», sagte sie vage, «es spricht sich herum. Jemand hat es mir erzählt. Ich weiß nicht mehr wer.»
    Sie ging zur Tür. Caux sprang auf, um sie ihr zu öffnen, und in diesem Augenblick ertönte abermals Poirots milde Stimme.
    «Und die Juwelen? Pardon, Mademoiselle. Können Sie mir etwas darüber sagen?»
    «Die Juwelen? Welche Juwelen?»
    «Die Rubine von Katharina der Großen. Da Sie so viel hören, werden Sie auch davon gehört haben.»
    «Ich weiß nichts von Juwelen», sagte Mirelle scharf.
    Sie ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Monsieur Caux nahm wieder Platz; der Untersuchungsrichter seufzte.
    «Welch eine Furie!», sagte er. «Aber diablement schick. Ich frage mich, ob sie die Wahrheit sagt. Ich glaube, ja.»
    «Es ist sicher etwas Wahres an ihrer Geschichte», sagte Poirot, «Miss Grey hat es bestätigt. Sie hat den Korridor entlanggeschaut, kurz bevor der Zug Lyon erreichte, und sah Monsieur Kettering ins Abteil seiner Frau gehen.»
    «Alles scheint klar gegen ihn zu sprechen», sagte der Kommissar seufzend. «Leider!», murmelte er dann.
    «Warum leider?», fragte Poirot.
    «Ich habe es mir zum Lebensziel gemacht, den Comte de la Roche zu erwischen. Diesmal, ma foi, habe ich gedacht, wir hätten ihn. Dieser andere ist längst nicht so befriedigend.»
    Carrège rieb sich die Nase.
    «Wenn etwas schief geht», bemerkte er vorsichtig, «wäre das sehr peinlich.

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