Der blaue Express
Monsieur Kettering gehört zum Adel. Es wird in die Zeitungen kommen. Wenn wir einen Fehler gemacht hätten…» In düsteren Vorahnungen hob er die Schultern.
«Also, die Juwelen», sagte der Kommissar, «was hat er Ihrer Meinung nach mit ihnen gemacht?»
«Natürlich hat er sie zur Ablenkung mitgenommen», sagte Carrège, «sie müssen sehr lästig für ihn gewesen sein, und sehr schwer loszuwerden.»
Poirot lächelte.
«Über die Juwelen habe ich so meine eigenen Gedanken. Sagen Sie mir, Messieurs, was wissen Sie über einen Mann namens Der Marquis?»
Der Kommissar beugte sich aufgeregt vor.
«Der Marquis», sagte er, «der Marquis? Meinen Sie, dass er in diesen Fall verwickelt ist, Monsieur Poirot?»
«Ich fragte, was Sie über ihn wissen.»
Der Kommissar schnitt eine viel sagende Grimasse.
«Nicht so viel, wie wir gern wüssten», sagte er bedauernd. «Er arbeitet hinter den Kulissen, verstehen Sie? Die groben Arbeiten verrichten Handlanger für ihn. Aber er ist einer von ganz oben. Dessen sind wir sicher. Er kommt nicht aus den kriminellen Schichten.»
«Franzose?»
«J-ja. Wenigstens glauben wir das. Sicher sind wir aber nicht. Er hat in Frankreich, in England, in Amerika gearbeitet. Vergangenen Herbst gab es in der Schweiz eine Anzahl von Raubüberfällen, die angeblich auf sein Konto gehen. Jedenfalls ist er ein grand seigneur, spricht Französisch und Englisch gleichermaßen tadellos, und seine Herkunft ist ein Rätsel.»
Poirot nickte und erhob sich, um zu gehen.
«Mehr können Sie uns nicht sagen, Monsieur Poirot?», bedrängte ihn der Kommissar.
«Im Augenblick nicht», sagte Poirot, «aber vielleicht finde ich in meinem Hotel weitere Nachrichten vor.»
Monsieur Carrège blickte unbehaglich drein. «Wenn der Marquis in die Geschichte verwickelt ist…», begann er, dann brach er ab.
«Das bringt uns alles durcheinander», klagte Caux.
«Mich nicht», sagte Poirot. «Im Gegenteil, ich glaube, es passt sehr gut zu meinen Ideen. Au revoir, Messieurs. Sollte ich wichtige Neuigkeiten erfahren, so werde ich es Sie sofort wissen lassen.»
Mit ernster Miene ging er zu seinem Hotel zurück. In seiner Abwesenheit war ein Telegramm für ihn gekommen. Er zog einen Brieföffner aus der Tasche und öffnete es. Es war ein langes Telegramm, und er las es zweimal durch, bevor er es langsam in die Tasche steckte. Oben erwartete George seinen Herrn.
«Ich bin erschöpft, Georges, sehr erschöpft. Würden Sie mir ein Kännchen Schokolade bestellen?»
Die Schokolade wurde bestellt und gebracht, und George stellte sie in Reichweite seines Herrn auf den Beistelltisch. Als er sich gerade entfernen wollte, sagte Poirot:
«Ich glaube, George, dass Sie in der englischen Aristokratie sehr bewandert sind.»
George lächelte geschmeichelt.
«Ich glaube, ich darf das von mir behaupten, Sir», antwortete er.
«Ich nehme an, Sie sind der Meinung, Georges, dass Verbrecher unweigerlich den untersten Schichten entstammen?»
«Nicht immer, Sir. Es gab einmal großen Ärger mit einem der jüngeren Söhne des Duke of Devize. Er musste Eton in diskreter Schande verlassen, und danach machte er der Familie wiederholt große Sorgen. Die Polizei wollte nicht akzeptieren, dass es Kleptomanie war. Ein sehr schlauer junger Gentleman, Sir, aber durch und durch lasterhaft, wenn Sie verstehen, was ich meine. Seine Durchlaucht hat ihn nach Australien eingeschifft, und ich hörte, er sei dort unter einem anderen Namen verurteilt worden. Sehr seltsam, Sir, aber da haben Sie es. Der junge Gentleman, das muss ich wohl nicht betonen, hatte keine finanziellen Nöte.»
Poirot nickte langsam.
«Ein Hang zu aufregenden Dingen», murmelte er, «und wahrscheinlich ein kleiner Dachschaden. Ich frage mich…»
Er zog das Telegramm aus der Tasche und las es zum dritten Mal.
«Und dann die Sache mit der Tochter von Lady Mary Fox», fuhr der Diener in seinen Reminiszenzen fort. «Sie hat ihre Lieferanten betrogen – schockierend. Sehr unangenehm für die besten Familien, wenn ich das sagen darf, und ich könnte noch viele andere seltsame Fälle nennen.»
«Sie sind ein erfahrener Mann, Georges», murmelte Poirot. «Es wundert mich eigentlich, dass Sie, der Sie immer in großen Häusern gearbeitet haben, es nicht für unter Ihrer Würde halten, als Diener bei mir zu sein. Ich schreibe es auch bei Ihnen einem Hang zu aufregenden Dingen zu.»
«Nicht ganz, Sir», sagte George. «In Society Snippets las ich zufällig, dass Sie im
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