Der blaue Mond
ihre Schulter an Romans Schulter und legt den Kopf schief, damit sie ihn anschmachten und über alles lächeln kann, was er sagt. Als Zweites fällt mir auf, dass mein Platz ebenfalls neben Roman ist. Nur bin ich im Gegensatz zu Haven davon alles andere als begeistert. Doch da sich Damen bereits den Randplatz gesichert hat und ich kein großes Theater um einen Tausch veranstalten will, lasse ich mich widerwillig auf meinen sinken. Ich spüre den aggressiven Druck von Romans Energie, als er mir direkt in die Augen sieht. Seine Aufmerksamkeit ist dermaßen auf mich fixiert, dass ich mich regelrecht winde.
Ich sehe mich in dem fast vollen Theater um und versuche, nicht mehr an Roman zu denken. Hocherfreut sehe ich Josh den Gang entlangkommen, wie gewohnt in engen schwarzen Jeans, nietenbeschlagenem Gürtel, blütenweißem Hemd und dünner Karokrawatte, die Arme voller Süßigkeiten und Wasserflaschen. Eine dicke schwarze Haarsträhne fällt ihm immer wieder in die Augen. Ich seufze erleichtert auf, als mir bewusst wird, wie perfekt er und Haven zueinander passen, und freue mich, dass er nicht abgelöst worden ist.
»Wasser?«, fragt er, während er sich auf den Sitz an Havens anderer Seite fallen lässt und zwei Flaschen in meine Richtung weitergibt.
Ich nehme mir eine und will Damen die zweite reichen, doch er schüttelt nur den Kopf und nippt an seinem roten Getränk.
»Was ist das denn?«, fragt Roman, beugt sich über mich und zeigt auf die Flasche. Seine unwillkommene Berührung lässt mir kalte Schauer über den Rücken laufen. »Du pichelst das Zeug ja weg, als wäre es mit Schnaps versetzt. Falls ja, dann teil doch deinen Reichtum, Kollege. Lass uns hier nicht im Regen stehen.« Er lacht, streckt die Hand aus und wackelt mit den Fingern, während er herausfordernd zwischen uns hin und her schaut.
Und gerade als ich mich einmischen will, da ich fürchte, dass Damen womöglich aus reiner Freundlichkeit einwilligt, Roman einen Schluck probieren zu lassen, geht der Vorhang auf, und die Musik setzt ein. Roman lehnt sich wieder zurück, wendet dabei jedoch den Blick keine Sekunde von mir ab.
Miles ist sagenhaft. So sagenhaft, dass ich mich immer wieder dabei ertappe, wie ich mich tatsächlich auf den Text, den er spricht, und die Songs, die er singt, konzentrieren kann, auch wenn ich den Rest der Zeit ausschließlich daran denke, dass ich bald meine Jungfräulichkeit verlieren werde - zum ersten Mal in vierhundert Jahren.
Ich meine, es ist so erstaunlich, dass wir es trotz aller Inkarnationen und aller Gelegenheiten, zu denen wir uns kennen gelernt und ineinander verliebt haben, nie geschafft haben, Nägel mit Köpfen zu machen.
Doch das wird sich heute Nacht ändern.
Alles wird sich ändern.
Heute Nacht begraben wir die Vergangenheit und schreiten der Zukunft unserer ewigen Liebe entgegen.
Als endlich der Vorhang fällt, erheben wir uns alle und strömen in Richtung Backstagebereich. Plötzlich fällt mir siedend heiß etwas ein. »Verdammt!«, sage ich zu Damen. »Wir haben vergessen, Blumen für Miles zu besorgen.«
Doch Damen lächelt nur und schüttelt den Kopf. »Was redest du denn da? Wir haben jede Menge Blumen!«
Ich blinzele und frage mich, was er damit meint, denn für meine Augen hat er genauso leere Hände wie ich. »Was redest du denn da?«, flüstere ich und spüre die wundervolle warme Spannung durch mich strömen, als er mir seine Hand auf den Arm legt.
»Ever«, sagt er mit belustigter Miene. »Diese Blumen existieren bereits auf der Quantenebene. Wenn du sie auf materieller Ebene zugänglich machen willst, musst du sie nur manifestieren, wie ich es dir beigebracht habe.«
Ich sehe mich um, um mich zu vergewissern, dass niemand unser sonderbares Gespräch belauscht, und muss verlegen zugeben, dass ich es nicht kann. »Ich weiß aber nicht, wie«, sage ich und wünsche mir, er würde einfach die Blumen manifestieren, damit wir das Ganze hinter uns haben. Jetzt ist wirklich nicht der geeignete Augenblick für Lektionen.
Doch Damen akzeptiert das nicht. »Natürlich kannst du. Habe ich dir denn gar nichts beigebracht?«
Ich presse die Lippen zusammen und starre zu Boden, weil er in Wirklichkeit versucht hat, mir eine ganze Menge beizubringen. Aber ich bin eine miserable Schülerin und habe alles dermaßen schleifen lassen, dass es für uns beide ratsamer ist, wenn ich das Manifestieren von Blumen ihm überlasse.
»Mach du's«, sage ich und zucke unter der Enttäuschung zusammen, die
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