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Der blaue Mond

Der blaue Mond

Titel: Der blaue Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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»Zum Beispiel weiß ich, dass Sie weiter an Ihrem Buch schreiben sollten, weil es eines Tages veröffentlicht werden wird.«
    Er reißt Mund und Augen auf, und seine Miene schwankt zwischen wilder Hoffnung und völligem Unglauben.
    Und obwohl es mich fast umbringt, obwohl mir schon allein bei dem Gedanken schlecht wird, muss ich noch etwas sagen, einfach weil es das Richtige ist. Außerdem, was kann es schon schaden? Ich verschwinde ohnehin, und Sabine hat es verdient, ausgeführt zu werden und sich ein bisschen zu amüsieren. Und abgesehen von seiner Vorliebe für Boxershorts mit Rolling-Stones-Motiven, Songs von Bruce Springsteen und seinem Renaissancefimmel wirkt er harmlos. Ganz zu schweigen davon, dass nicht viel daraus wird, weil ich ganz deutlich gesehen habe, dass sie mit einem Typen zusammenkommt, der in ihrem Gebäude arbeitet...
    »Sie heißt Sabine«, sage ich, ehe ich es mir anders überlegen kann. Als ich seinen verwirrten Blick sehe, füge ich hinzu: »Sie wissen schon, die zierliche Blondine aus dem Starbucks? Die Ihnen Ihren Kaffee übers Hemd gekippt hat? Die, an die Sie andauernd denken müssen?«
    Völlig sprachlos sieht er mich an. Da ich es dabei belassen möchte, gehe ich auf die Tür zu, werfe allerdings noch einen Blick zurück. »Sie brauchen keine Angst zu haben, sie anzusprechen. Ehrlich. Fassen Sie sich ein Herz, und gehen Sie auf sie zu. Sie werden sehen, dass sie echt nett ist.«
     

EINUNDVIERZIG
    Beim Hinausgehen rechne ich schon halb damit, dass Roman mit seinem altbekannten spöttischen Blick auf mich wartet. Doch er ist nicht da. Und als ich zu den Lunchtischen komme, weiß ich auch, warum.
    Er hat einen Auftritt. Er dirigiert alle um sich herum und bestimmt alles, was sie sagen und tun - wie ein Bandleader, ein Puppenspieler, ein mächtiger Zirkusdirektor. Und gerade als sich in meinem Hinterkopf eine Ahnung herauskristallisiert, gerade als ein Hauch von Begreifen Form anzunehmen beginnt, sehe ich - ihn. Damen.
    Die Liebe jedes meiner Leben stolpert auf den Lunchtisch zu, so wackelig, so mitgenommen und abgemagert, dass nicht zu übersehen ist, wie rapide sein Verfall fortgeschritten ist. Uns geht die Zeit aus.
    Als sich Stada auf einmal umdreht, das Gesicht verzieht und zischt »Du Freak!«, stelle ich verblüfft fest, dass die Beschimpfung nicht mir gilt.
    Sondern Damen.
    Und binnen Sekunden stimmt die ganze Schule mit ein. Sämtlicher Hohn, der einst für mich reserviert war, richtet sich nun gegen ihn.
    Ich schaue zu Miles und Haven hinüber und sehe, wie sie in den Sprechchor mit einstimmen, ehe ich auf Damen zueile. Erschrocken stelle ich fest, wie feuchtkalt seine Haut ist, wie eingefallen seine einst so hohen Wangenknochen wirken und wie seine tiefen, dunklen Augen, in denen einmal so viel Verheißung und Wärme lagen, jetzt wässrig und entzündet sind und kaum den Blick halten können. Und obwohl seine Lippen schrecklich trocken und aufgerissen sind, fühle ich nach wie vor eine unwiderstehliche Sehnsucht danach, meinen Mund auf seinen zu pressen. Denn ganz egal, wie er aussieht, ganz egal, wie sehr er sich verändert hat, er ist immer noch Damen. Mein Damen.  ob jung oder alt, gesund oder krank, es spielt keine Rolle. Er ist der Einzige, an dem mir je wirklich etwas gelegen hat - der Einzige, den ich je geliebt habe -, und nichts, was Roman oder sonst jemand tut, kann das jemals ändern.
    »Hey«, flüstere ich mit brüchiger Stimme, während mir die Tränen in die Augen schießen. Ich blende die schrillen Spottrufe um uns herum aus und konzentriere mich ausschließlich auf ihn. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich lange genug weggeschaut habe, um es so weit kommen zu lassen, denn ich weiß, er hätte nie erlaubt, dass so etwas mit mir geschieht.
    Er wendet sich mir zu, wobei er Mühe hat, seinen Blick zu fokussieren, und gerade als ich glaube, einen Schimmer des Erkennens erhascht zu haben, ist er so schnell wieder verschwunden, dass ich es mir bestimmt bloß eingebildet habe.
    »Lass uns von hier verschwinden«, sage ich, zupfe an seinem Ärmel und versuche, ihn mit mir zu ziehen. »Sollen wir schwänzen?« Ich lächele ihn an in der Hoffnung, ihn an unsere typische Freitagsgewohnheit zu erinnern. Wir sind gerade am Tor angelangt, als Roman auftaucht.
    »Wozu mühst du dich ab?«, fragt er mit verschränkten Armen und schiefgelegtem Kopf, wobei immer wieder sein Ouroboros-Tattoo aufblinkt und wieder verschwindet.
    Ich packe Damens Arm und kneife die Augen

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