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Der blaue Mond

Der blaue Mond

Titel: Der blaue Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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meiner Familie zurückzukehren, dann gibt es keine andere Wahl.
    Ich meine, Drina hat mich getötet, damit sie Damen für sich haben konnte. Und Damen hat mich zurückgeholt, damit er mich für sich haben konnte. Und sosehr ich ihn auch liebe, sosehr mir auch das Herz bei dem Gedanken schmerzt, ihn zu verlieren, weiß ich, dass er in dem Moment, als er mich ins Leben zurückgeholt hat, in die natürliche Ordnung der Dinge eingegriffen und mich zu etwas gemacht hat, was ich nie hätte sein sollen.
    Und jetzt ist es meine Aufgabe, alles wieder rückgängig zu machen.
    Ich stehe vor dem Schrank und greife nach meiner neuesten Jeans, einem schwarzen V-Pulli und den noch relativ neuen Ballerinas - all das, was ich in der Vision trug, die ich gesehen habe. Dann fahre ich mir mit den Fingern durchs Haar, trage ein bisschen Lipgloss auf, mache die winzigen Brillant-Ohrstecker rein, die mir meine Eltern zum sechzehnten Geburtstag gekauft haben (da sie garantiert merken würden, wenn sie weg wären), und lege das kristallbesetzte Armband an, das mir Damen geschenkt hat und das in dem Leben, in das ich zurückkehre, eigentlich keinen Platz hat, aber ich werde es auf keinen Fall hier lassen.
    Ich schnappe mir meine Tasche, sehe mich ein letztes Mal in meinem lächerlich großen Zimmer um und gehe hinaus. Einen abschließenden Blick will ich unbedingt noch auf ein Leben werfen, das mir nicht immer gefallen hat und an das ich mich höchstwahrscheinlich gar nicht erinnern werde, aber ich muss mich trotzdem von ein paar Leuten verabschieden und ein paar Dinge klären, ehe ich endgültig gehe.
    Sowie ich auf den Schulparkplatz einbiege, halte ich angestrengt Ausschau nach Damen. Ich suche ihn, sein Auto, irgendwas, irgendeinen winzigen Anhaltspunkt, was auch immer ich kriegen kann. Ich will so viel wie irgend möglich von ihm sehen, so lange es nur geht. Und ich bin enttäuscht, als ich ihn nicht finde.
    Ich gehe in Richtung Klassenzimmer, wobei ich versuche, nicht auszurasten oder vorschnelle Schlüsse zu ziehen und überzureagieren, nur weil er noch nicht da ist. Denn obwohl er immer normaler wird, weil das Gift allmählich die jahrhundertelangen Entwicklungen zerfrisst, gehe ich davon aus, dass der Tiefpunkt noch ein paar Tage auf sich warten lässt, nachdem ich ihn gestern gesehen habe und er nach wie vor sagenhaft und supersexy aussah und weit davon entfernt war zu altern.
    Außerdem weiß ich, dass er irgendwann auftauchen wird. Warum auch nicht? Er ist der unbestrittene Star dieser Schule. Der Bestaussehende, der Reichste, derjenige, der die tollsten Partys gibt - zumindest habe ich das gehört. Er kriegt praktisch stehende Ovationen dafür, dass er einfach nur kommt. Und jetzt möchte ich mal wissen, wer dem widerstehen kann?
    Ich betrachte all die Leute, mit denen ich nie ein Wort gewechselt habe und die auch nie mit mir gesprochen haben, außer wenn sie mir eine Gemeinheit nachgerufen haben. Und obwohl ich mir sicher bin, dass sie mich nicht vermissen werden, wüsste ich doch gern, ob ihnen überhaupt auffallen wird, dass ich weg bin. Oder ob alles so werden wird, wie ich es mir vorstelle - ich kehre zurück, sie kehren zurück, und die Zeit, die ich hier verbracht habe, ist bestenfalls ein Leuchtpunkt auf ihrem Bildschirm.
    Ich hole tief Luft und gehe in meinen Englischkurs, darauf gefasst, Damen an Stacias Seite zu finden, doch stattdessen sitzt sie allein da. Ich meine, sie tratscht wie gewohnt mit Honor und Craig, doch Damen ist nirgends zu sehen. Und als ich auf dem Weg zu meinem Platz an ihr vorbeigehe und schon damit rechne, dass sie mir irgendetwas vor die Füße wirft, ernte ich bloß eisernes Schweigen, eine hartnäckige Weigerung, mich überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn mir ein Bein zu stellen, was mir ein Gefühl von Angst und Unbehagen einjagt.
    Nachdem ich mich auf meinen Platz gesetzt und meine Sachen zurechtgelegt habe, verbringe ich die nächsten fünfzig Minuten damit, zwischen der Uhr und der Tür hin und her zu schauen, während meine Beklommenheit von Sekunde zu Sekunde wächst. Ich male mir alle möglichen Horrorszenarios aus, bis es endlich klingelt und ich hinausrase. Als er zur vierten Stunde noch immer nicht aufgetaucht ist, stehe ich kurz vor einer totalen Panikattacke, bis ich schließlich in den Geschichtskurs komme und feststelle, dass auch Roman verschwunden ist.
    »Ever«, sagt Mr. Munoz, als ich neben ihm stehe und auf Romans leeren Platz starre, während sich die Angst in meinem Magen

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