Der blaue Vogel kehrt zurück
sage ich leise, »many times.«
9
Das erste Mal, das war, als ich dank Landau … ach ja, Landau … eine Audienz beim »Chef« hatte.
»So nennen sie ihn alle«, hatte Landau erklärt, »sag ruhig Chef zu ihm, das gefällt ihm.«
Ich wunderte mich, dass niemand sonst bei dem Gespräch zugegen war. Nur ich, ein vierzehnjähriger Junge, der Stiefsohn eines ehemaligen Schleifers, und dieser große Mann mit seinen Segelohren und der hängenden Unterlippe. Oben im Turmzimmer. Es war kein großes Büro. Die Täfelung roch nach Bohnerwachs. Der Sessel des Chefs war größer als die Sessel für seine Besucher, aber sie waren alle nicht gerade klein, kunstvoll verziert und mit Leder bezogen. Energisch, in tadellosem Niederländisch, den Kopf leicht in den Nacken gelegt, beschrieb Abraham Asscher, was einen zukünftigen Arbeitnehmer erwarte. Wichtiger aber fand er es, davon zu erzählen, was sich in der »Zeit, die hinter uns liegt«, ereignet hatte.
Er ließ eine Broschüre bringen, die normalerweise ausländischen Geschäftspartnern überreicht werde, aber die ich – er sei ja nicht so – mitnehmen dürfe. Sie enthielt die Geschichte des Cullinan, des größten Diamanten, der je gefunden wurde, dargestellt auf fünfzehn Fotos. Die erste Aufnahme zeigte den Stein, die letzte die Diamantschleiferei – beide in voller Pracht. Als habe das eine zum anderen geführt, und vielleicht war das ja auch so.
»Vielleicht hast du mal gelesen, dass der Cullinan auf einem Schiff der britischen Marine von England in die Niederlande gebracht wurde?«
Davon hatte ich noch nie gehört, nickte aber trotzdem.
»Dann kann ich dir jetzt verraten«, verkündete Asscher freudestrahlend, »dass der weltberühmte Diamant auf einer gewöhnlichen Fähre herkam. Nicht mal in einem Tresor, einfach nur in meiner Innentasche. Ich habe sie alle an der Nase herumgeführt. Ein Mordsstein, junger Mann, 3106 Karat. Einzigartig auf der Welt. Hier gespalten, von meinem Bruder Joseph. Und Henri Koe – sagt dir der Name was?«
Er sagte mir nichts.
»Henri Koe, Gott hab ihn selig, hat wochenlang Tag und Nacht daran geschliffen und ein königliches Werk geschaffen. Und das ist wörtlich zu verstehen. Unsere Steine gehören heute zu den englischen Kronjuwelen. Betrachte es als eine große Ehre, junger Mann, dass du, unter anderem dank der Bemühungen deines Stiefvaters, einen bescheidenen Platz in meiner Fabrik erhältst.«
Ich begann an der Mühle. Obwohl das die niedrigste Stellung im Diamantenfach war, gelang es mir, meine Mutter nach dem ersten Tag in der Schleiferei damit zu beeindrucken.
»An der Mühle«, wiederholte sie und schüttelte immer wieder den Kopf, »so was aber auch.«
Ich schnäuzte mir in ihrem Beisein extra kräftig die Nase, damit sie den schwarzen Staub sah, den ich eingeatmet hatte.
»Ein richtiger Diamantschleifer«, sagte sie.
Auch Landau wirkte zufrieden. »So fängt jeder an, Jonah, mit einfachen Tätigkeiten.«
Er erzählte mir Dinge, die ich bereits wusste – dass ich, wennich gut aufpasste, innerhalb weniger Monate auf der anderen Seite der Mühle sitzen würde –, aber meine Mutter strahlte derart, dass ich ihn reden ließ. Er kannte Flip Tuinder, den Schleifer, bei dem ich in die Lehre ging, und sagte, ich hätte keinen besseren Lehrmeister finden können.
Anfangs wurde ich nur mit stupiden Aufgaben betraut – einkaufen gehen und Dinge hin- und herschleppen. Erst danach brachte Tuinder mir das Umkitten bei. Binnen kurzer Zeit konnte ich mit einem gewissen Geschick Löcher in glühend heiße Bleidoppen bohren, die biegsamen Kupferstifte hineinschrauben und das Lot im richtigen Verhältnis mischen.
Mehr Blei als Zinn für die großen Steine. Mehr Zinn als Blei für die kleinen.
Ich brachte mein Werkstück zu einem alten Mann, Kittmeister seit dreißig Jahren, der die Diamanten in das Lot drückte und mit Strichen und Kreuzen auf den Doppen kennzeichnete, in welchem Winkel sie geschliffen werden sollten.
Wenn der Schleifer fertig war, kehrte ich mit dem Diamanten zu dem Kittmeister zurück, der ihn wiederum, aber ein Stück weiter gedreht, in den von mir vorbereiteten Doppen platzierte. Das wiederholte sich, bis alle Facetten geschliffen waren. Für mich war der alte Kittmeister der wichtigste Mann der ganzen Abteilung, er kannte die Steine bis ins kleinste Detail. Die Schleifer hingegen sahen immer nur den Teil, den sie gerade im Auftrag des alten Mannes bearbeiteten.
Nachdem ich ein Jahr lang zwischen dem
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