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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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hatte den Zettel ehrfürchtig der Bürgermeistersgattin zurückgegeben.
    »Mein Mann sagt, es ist ein magisches Amulett«, sagte die Dreitürnitza, »daher bringe ich es schnell zurück, Frau Bürgermeister.«
    Hassidoff hatte die Notiz in großem Zorn studiert, und Dulnikker las dessen Antwort sogar mit noch größerer Wut. In grenzenloser Verachtung brüllte er am Fenster:
    »Diebe! Posträuber!«
    Diese Nacht war unerträglich. Dem Staatsmann gelang es erst nach langer geistiger Verwirrung einzuschlafen, und plötzlich erschien ihm im Traum ein uralter Zwerg, ungefähr acht Zoll hoch, dessen langer Bart feuerrot war. Dulnikker kannte ihn von irgendwoher. Der winzige Uralte trug ein großes Tablett, und darauf lag ein gebratener Truthahn, der ein würziges Aroma aussandte. Auch weniger verführerische Düfte hätten einen Mann verrückt gemacht, der seit fast achtundvierzig Stunden nichts mehr gekostet hatte. Nicht nur, daß Shimshon Groidiss - denn der war der widerliche Gnom wirklich - das saftige Geflügel dem unglücklichen Träumer ständig unter die Nase hielt, sondern er zwinkerte auch noch mit den feurigen Augen, schwang eine gläserne Glocke und sagte:
    »Seien Sie nicht töricht, Ingenieur Dulnikker! Geben Sie Hassidoff ein paar gute Ideen und machen Sie Schluß damit.«
    Dulnikker wurde den Liliputaner Groidiss mit einem ohrenbetäubenden Aufkreischen los. Erstaunlicherweise hatte jedoch der Duft von Truthahn seine Nüstern nicht verlassen, als er früh am Morgen erwachte. Der Staatsmann erhob sich von seinem Bett, und dem anscheinend wirklich vorhandenen Duft bis zu seiner Quelle nachgehend, stieß er mit dem Kopf an die Tür. Der berühmte Staatsmann kniete nieder, drängte seine Nase in den schmalen Spalt zwischen Schwelle und Tür, und nach einer Weile wollüstigen Schnüffelns erhob er sich, erschüttert von der Entdeckung, daß das gebratene Tier direkt vor der Tür draußen lag.
    In diesem Augenblick, nach einem lobenswerten Kampf innerer Titanen, gaben Fleisch und Blut Amitz Dulnikkers nach. »Es ist unmöglich, eine solche Gehirnwäsche zu überleben«, versicherte der Staatsmann hilflos. Und er begann mit der Faust auf die Eisentür zu hämmern, die ihn von der Sehnsucht seines Lebens trennte.
    »Ja, Dulnikker?« fragte der Barbier in dem freundlichen Ton, den alle Sieger anschlagen, »was kann ich für Sie tun?«
    »Sie Huligan, geben Sie mir diesen Vogel!«
    Der Barbier hob die gigantische Portion des gebräunten Vogels - die Fettaugen wirbelten in dem dicken Saft - zur Höhe des Fensterchens, um dem Ingenieur zu zeigen, daß es ihm ernst war: »Zuerst geben Sie mir einen Rat, Dulnikker, weil ich vermute, daß Sie nach der Mahlzeit den Appetit verlieren, mir zu helfen.«
    »Ungeheuer!« stöhnte der Staatsmann, und seine Augen fielen ihm fast aus dem Kopf und auf das Tablett. »Wer garantiert mir, daß Sie mir das Fleisch geben, nachdem ich Ihnen meinen Rat gegeben habe?«
    Hassidoff überlegte und beugte sich der Logik der staatsmännischen Behauptung.
    »Schön, Dulnikker«, sagte er zu ihm, »machen wir es Zug um Zug.« Dabei riß er einen saftigen Truthahnflügel los, reichte ihn durch das Fenster und fügte hinzu: »Dafür will ich, sagen wir, ein gutes Schlagwort für die Wände zum Draufschreiben haben.«
    Dulnikker riß seinem Gefangenenwärter den triefenden Flügel aus der Hand und verschlang ihn blitzartig. Eine solche innere Genugtuung hatte der Staatsmann nicht einmal 1949 empfunden, als er nach der Veröffentlichung des zweiten Bandes seiner Leitartikel den Literaturpreis von Jerusalem erhalten hatte. Nachdem er seine Schlemmerei beendet hatte, drehte er sich um und fragte den Barbier scharf:
    »Vielleicht geben Sie mir meine Uhr zurück, Freund?«
    »Erst nach den Wahlen, meine Herren«, erwiderte der Barbier. »Früher brauchen Sie sie nicht, Dulnikker.«
    »Mehr«, krächzte der Staatsmann und erhielt eine weitere, diesmal winzige Truthahnportion, begleitet von dem energischen Ersuchen, er möge endlich seine Meinung über das für die Wände benötigte Schlagwort äußern.
    »Wie lautet das Schlagwort des Schuhflickers?« erkundigte sich Dulnikker und fügte hinzu: »Übrigens, wo sind die Essiggurken?«
    Der Barbier reichte ihm eine riesige, frische Essiggurke, die so saftig war, daß Dulnikker fast betrunken wurde.
    »Dieser hinkende Schuhflicker hat auf jedes Haus im Dorf geschrieben: D er S chuster liebt das D orf - D as D orf liebt den S chuster , was ein wunderschönes

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