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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Instrument aus seiner Tasche, das er besaß -seinen festen Taschenkamm -, und begann durch die Düsternis zu kriechen, tastete die Wände mit zitternden Händen überall ab und suchte schwache Stellen zwischen den Ziegeln, wie das in solchen Situationen üblich ist. Kurze Zeit darauf stolperten seine Finger über ein Loch in der Wand, und der fröstelnde Staatsmann begann mit seinem armseligen Instrument an der Stelle zu schaben. Es war noch keine Viertelstunde vergangen, als Dulnikker ohne Kamm und mit zersplitterten Fingernägeln dastand, während das Loch in der Wand nicht um Haaresbreite weiter geworden war - denn die Wand war aus Beton, wie sich der Staatsmann etwas später erinnerte.
    Dulnikker taumelte ins Bett, entfernte seinen Verband und quetschte dessen schales Wasser auf seine herausgestreckte Zunge. Dann legte er sich zurück und krümmte sich auf den knarrenden Sprungfedern, als suchten ihn alle Leiden Hiobs heim. »Hier verfaule ich lebendigen Leibes auf meinem St. Helena, während Shimshon Groidiss auf meinem Thron sitzt«, flüsterte der Staatsmann mit erstickter Stimme. Seinen vorwurfsvollen Blick himmelwärts richtend, fügte er hinzu: »Wofür bestrafen Sie mich, meine Herren - wofür?«
    In seiner üblen Lage hoffte Dulnikker, daß sein Verschwinden einen Aufruhr im Dorf verursachen würde, der zu einer fieberhaften Suche und schließlich seiner Befreiung führen würde. Besonderes Vertrauen setzte er in seinen verläßlichen Freund, den Chauffeur, wenn ihm auch dessen Rolle bei seiner Entführung äußerst unklar war. In Wirklichkeit aber kümmerte sich kein Mensch um das plötzliche Verschwinden des Staatsmannes. Nur Mischa der Kuhhirt mußte sich für das Geheimnis interessieren, erstens wegen seiner Stellung und zweitens wegen seiner zerrissenen Kleidungsstücke, die er an dem >Seil< befestigt fand, das an das Balkongitter geknüpft war. In seinem Bericht erwähnte der Polizeichef Dulnikkers offenen Regenschirm und brachte die Meinung zum Ausdruck, daß der Herr Ingenieur, der sich in letzter Zeit sehr sonderbar benommen habe, in einem höchst verwirrten Geisteszustand via Balkon hinuntergestiegen sei. Seiner Theorie zufolge habe der Ingenieur die Straßen zu überqueren gesucht. Aber die in der Gegend verstreuten und das ganze Dorf entlang am Brombeergebüsch hängenden Kleidungsfetzchen bewiesen, daß er mit einem nicht identifizierten Riesen fürchterlich kämpfen mußte, der ihn in die Wälder verschleppt habe, aus Gründen, die nur Riesen bekannt waren. Der Dorfrat wurde nicht einberufen, um das Verschwinden zu erörtern, weil Hassidoff Mischas Annahme bezüglich des Riesen akzeptierte, und er schloß den Fall ab.
    Das Verschwinden des zweiten Vorsitzenden - des Krankenwärters - war vom Gesichtspunkt der Polizei aus noch mysteriöser, weil sich Zev genau in derselben geheimnisvollen Nacht, ohne die geringste Spur zu hinterlassen, in Nichts aufgelöst hatte. Und von dem Tag an ward der bebrillte Jüngling von niemandem mehr gesehen!
    Der Schuhflicker, dessen Pech es anscheinend wollte, daß er unter häufigen Familienschwierigkeiten zu leiden hatte, wurde nach dem Verschwinden seines Schwiegersohns in die Affäre seines Vaters verwickelt. Als der Alte merkte, daß sein Streik nicht die gewünschten Ergebnisse zeitigte, entschied er sich, weitreichende Schritte zu unternehmen. Er verständigte die Öffentlichkeit, daß er zum Bürgermeister gewählt zu werden wünsche, oder zumindest anstelle seines Erstgeborenen Zemach zu einem der Dorfräte. So schlang sich der ältere Gurewitsch seine Leier um den Hals, wandelte von Haus zu Haus und begleitete seine zitternde Stimme beim Vortrag vergessener Rosinesker Lieder mit seinem eigenen Geklimper. Die entzückten Bauern pflegten sich um ihn zu versammeln, der Alte machte eine Pause in seinem künstlerischen Programm und erklärte folgendes:
    »Ich verspreche keine Büros oder Kulturpaläste oder Brunnen. Nur eines: Reisen! Ausflüge! Es ist nicht gerecht, daß nur Dorfräte reisen dürfen! Wenn ich dort sitze - im Dorfrat -, werde ich zusehen, daß jedermann, besonders der für mich stimmt, zweimal im Jahr kostenlos >im Dienst des Dorfes< reisen darf, wohin er will.«
    Das setzte einen äußerst gefährlichen Präzedenzfall, weil hier das Beispiel eines Bürgers vorlag, der kein Mitglied des Provisorischen Dorfrats war und doch versuchte, sich in den Ständigen Rat einzuschleichen, eine Entwicklung, die unvorhergesehene Ereignisse zeitigen

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