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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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wunderte sich Frau Hassidoff. Der Gatte brachte jedoch das feige Frauenzimmer sofort zum Schweigen.
    »Keine Sorge, Weib«, sagte er und richtete sich zu seiner vollen Höhe auf. »Ich bin zwar nicht groß gewachsen, aber ich fürchte mich nicht vor dem hinkenden Schuhflicker!«
    »In welchem Fall wir anscheinend einer Meinung sind«, versicherte Dulnikker befriedigt und verließ den Laden in bester Laune. Salman Hassidoff trat vor den Spiegel und ließ seine Muskeln spielen.
    »Fein«, rief er seiner Frau kraftvoll zu, »lassen wir also die stärkste Körperschaft der Gemeinde entscheiden!«
    Und es gärt weiter
    Die nächsten drei Tage waren von fieberhaften Beratungen gekennzeichnet. Der Staatsmann widmete seine besten Talente der Bildung eines Dorfrats und benützte zu diesem Zweck seinen durchaus nicht begeisterten Sekretär. Wieder wurde er zur >Dampfwalze Dulnikker<, der dynamischen Kraft, die ein ganzes Dorf hinter sich herzuziehen vermochte. Diese wundersame Genesung war zum Teil seiner Entdeckung eines bequemeren Weges als den Balkon zu seinem zweiten Stelldichein mit Malka zu verdanken. Auch dieses Stelldichein prägte sich der Seele des Staatsmannes ein, obwohl es sich vom ersten insofern unterschied, als Malka in warmen Kleidern kam und auch ein Wollknäuel mitbrachte, aus dem sie einen grünen Pullover zu stricken anhub. Dulnikker hatte das Alter von 43 erreicht, sein Stern war aufgegangen, und er war zum stellvertretenden Parteisekretär ernannt worden, trotz der Opposition Shimshon Groidiss’, als ein schlafloser Hahn Malka aufweckte und beide die Hütte verließen, um in den Morgennebeln zu verschwinden. Das hielt ihn in keiner Hinsicht von seinen Bemühungen ab, die >oberste, den Dorfwillen repräsentierende Instanz< zu errichten.
    »Es ist wirklich nicht recht, daß wir beide die Räte auswählen, statt es das Dorf selbst tun zu lassen«, versicherte Dulnikker in der Gegenwart seines gähnenden Sekretärs, »aber ich glaube, wir können uns noch nicht auf diese Bauern verlassen, denen selbst die minimalste politische Erfahrung abgeht.«
    Zev deutete an, daß ja auch der Staatsmann zum erstenmal im Leben einen Dorfrat wählte, aber Dulnikker beruhigte ihn und sagte, Zev wäre überrascht, wenn er sähe, wie leicht das sei. Man brauche dazu nur die verschiedenen Klassen im Dorf, die sozialen Ebenen mit ihren unterschiedlichen und entgegengesetzten politischen Bestrebungen zu unterscheiden. Nach dieser kurzen, jedoch pointierten ideologischen Aufklärung begannen sie, die Bauern nach der obenerwähnten Skizzierung einzuteilen. Drei Stunden später hörten sie verschwitzt und enttäuscht mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf.
    »Gott steh uns bei!« Dulnikker war höchst erstaunt. »Es gibt überhaupt keine Unterschiede zwischen ihnen! Sie sind alle gleich!«
    »Stimmt!« bemerkte Zev. »Sie sind alle Bauern, stammen alle aus Rosinesco, bauen Kümmel, besitzen Kühe und tragen Schwarz.«
    »Von einem Gummistempel gezeugt«, stöhnte der Staatsmann. »Der Inbegriff politischer Rückständigkeit!«
    »Schauen Sie, Dulnikker: Das Endziel jeder sozialistischen Partei ist, die Unterschiede zwischen den Menschen niederzureißen.«
    »Natürlich ist es das Endziel, aber in diesem elenden Dorf stehen wir doch erst am Anfang!«
    Sie gingen an eine neue Klassifizierung und sonderten die Bauern aus, die einer zweiten Beschäftigung nachgingen. Dulnikker meinte, daß der Barbier - als Bürgermeister de facto
    - den natürlichen Kern der herrschenden Partei darstelle, während der Schuhflicker naturgemäß die mächtige Opposition der arbeitenden Menschen repräsentiere.
    »Das stimmt nicht«, kicherte der Sekretär. »Der Schuhflicker hat einen alten Mann in seiner Werkstatt angestellt.«
    »Schön«, sagte Dulnikker, »dann soll er die Kleingewerbetreibenden darstellen. Darauf kommt es wirklich nicht an. Wir brauchen diese Unterscheidungen nur für uns, um das Ganze in eine Perspektive zu bringen. Die
    Dorfbewohner können solche Feinheiten nie begreifen. Wen haben wir sonst noch?«
    Zev schlug den Tierarzt als Sprecher der Dorfintelligenz vor, aber Dulnikker, der sich an den Optiker aus Frankfurt am Main erinnerte, erhob Einspruch gegen Hermann Spiegel.
    »Er repräsentiert das Vieh«, behauptete er. »Ich ziehe ihm bei weitem Elifas Hermanowitsch vor.«
    »Der ist auch blöd«, bemerkte Zev. »Erst vor einigen Tagen gab er zu, daß er nie versteht, was der Herr Ingenieur sagt.«
    »Wenigstens du, mein Freund,

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