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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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zu Blutvergießen, als der Fotograf ersuchte, Dulnikker solle mit dem Dorfchef posieren. Herr und Frau Hassidoff stürzten sofort heran und stellten sich rechts neben den Ingenieur. Genau im selben Augenblick teilte jedoch Zemach Gurewitschs stattliche Figur die mit knisternder Spannung geladene Luft und landete genau vor dem Staatsmann, während dem Mund des Schuhflickers immer wieder die Erklärung entströmte, daß das Dorf zwar im Augenblick einen Bürgermeister habe, dieser jedoch nur de facto sei, was - sagte er - >aus Mitleid< bedeute. Dulnikker verlor seine Haltung nicht und rettete die brenzlige Situation, indem er sich bei beiden Gegnern einhängte. Während der Staatsmann sie kraft seiner Persönlichkeit auseinanderhielt und in die Kamera lächelte, stöhnte er innerlich und dachte: >Ich schwöre, die zwei hätten sich an der Gurgel, wenn ich nicht zufällig in dieses Dorf gekommen wäre!<
    Nach dem >Unternehmen Foto< kehrte Dulnikker ins Wirtshaus zurück. Sein Magen war dank des erzwungenen Fastens während eines halben Tages von den saugenden Flammen des Hungers etwas zusammengeschrumpft. Dulnikker war sehr böse, daß die Delegation ihm nicht wenigstens ein einziges >gelbes< Nachmittagsblatt mitgebracht hatte. Nicht nur, daß er aus Mangel an einer Zeitung dazu verdammt war, in Unwissenheit über die Entwicklungen zu verharren, die während seiner Abwesenheit im In- und Ausland stattgefunden hatten, sondern seine Gattin vergrößerte seinen Ärger noch, indem sie sich zu ihrem zweiten Mittagessen an seinen Tisch setzte. Während Gula aß, leitete sie einen Frontalangriff ein und verständigte Dulnikker, daß sie unmöglich vor dem folgenden Tag abfahren konnten, weil sie nicht bereit war, an einem einzigen Tag eine zweite Fahrt durch den Schreckenstunnel zu unternehmen. Die unseligen Delegationsmitglieder waren somit gezwungen, sich aufzuteilen und eine Unterkunft in den Häusern der verschiedenen Bauern zu suchen. Und wozu das alles? Weil Dulnikker zufällig auf den Kopf gefallen war und beschlossen hatte, daß er sich nirgendwo anders erholen könne als in dem vernachlässigtsten Winkel des Staates. Denn der dickköpfige Dulnikker hört ja nie auf seine Frau, geht einfach rücksichtslos auf und davon und muß dann beschämt SOS-Rufe aussenden, damit sie ihn aus der Patsche hole .
    Immerhin kam der Staatsmann mit dem Leben davon und legte sich in seiner Bude nieder, während Gula, vereinsamt, den Zwillingen als Gegenstand einer eingehenden Betrachtung diente.
    »Dicke Tante, bist du dem verrückten Ingenieur sein Mädchen?« fragte schließlich einer von ihnen.
    »Nein«, erwiderte Gula, »betrüblicherweise bin ich Herrn Dulnikkers Ehefrau.«
    »Bist du seine Ehefrau de facto oder nur einfach so?«
    Gula, plötzlich neugierig geworden, hob die Augenbrauen. Vor ihrer Ehe mit Dulnikker war sie Kindergärtnerin gewesen, daher wußte sie, daß ein Kind immer die Wahrheit wiederholt, wie es sie von den Erwachsenen hört.
    »Wer seid ihr, Kinder?«
    »Wir sind die kommunalen Zwillinge«, sagten die kleinen Lümmel kichernd. Majdud wurde jedoch ernst. »Stimmt gar nicht«, verbesserte er, »ich habe das Seniorat, weil ich ein paar Minuten früher geboren bin.«
    »Wo habt ihr diese Ausdrücke gelernt?«
    »Vom Ingenieur und seinem mageren Krankenwärter.«
    Gula zog die pausbäckigen Kinder an ihren mächtigen Busen.
    »Hört zu, Kinder«, sagte sie mit einem herzlichen Lächeln, »möchtet ihr mir gern erzählen, was der onkel Ingenieur die ganze Zeit hier getan hat?«
    »Nein«, erwiderte Majdud. »Nur für Schokolade mit Nüssen drin.«
    Gula war eine verständnisvolle, praktische Frau, die den Wert kleiner Geschenke in sozialen Beziehungen kannte. Daher steckte sie unverzüglich die Hand in die Handtasche, die ihr ständig an einem Riemen von der Schulter hing, und fischte ein Päckchen Süßigkeiten heraus. Sie reichte ihnen einige als Vorschuß, die im Nu in den Mündern der Zwillinge verschwanden.
    »Und jetzt, Kinder, erzählt mir hübsch, was der Onkel Ingenieur hier alles gemacht hat.«
    »Wirst du’s niemandem sagen?«
    »Nein.«
    »Der verrückte Ingenieur hat einen Mordsspaß«, flüsterte Majdud - mit Seniorat - als erster. »In der Nacht klettert er auf Leitern herum und fängt Tauben. Der Papa hat ihn geprügelt, und darum macht er es jetzt so, daß die Schuhflicker mit den Barbieren raufen, weil jeder sich selber einen Wagen kaufen will.«
    Mit flatterndem Herzen nahm Gula Dulnikker die

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