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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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das Wort, ohne daß es ihm erteilt wurde:
    »Was habt ihr mir angetan?« jammerte der kleine Schneider. »Man hat mich fast umgebracht! Ich bin nicht einmal soweit gekommen, den Brief zu erklären, und schon wurde ich angegriffen! >Wer braucht hier einen Dorfrat?< schrien sie wie die Irren, >Was für einen Schrank?<, und hetzten die Hunde auf mich.«
    Dulnikker schlug mit dem Hammer auf den Tisch.
    »Genossen!« rief er. »Das ist Gesetzlosigkeit!« Seine etwas feierliche Stimmung teilte sich den Abgeordneten mit.
    »Was ist eigentlich los?« platzte Frau Hassidoff heraus. »Haben sie uns gewählt oder nicht?«
    »Das ist’s ja«, bemerkte der Bürgermeister de facto mit offenkundigem Groll, »Vorteile aus dem Dorfrat beziehen -fein; aber etwas hergeben - o nein!«
    »Nu ja, so ist das einmal«, versicherte der Schächter plötzlich.
    »Also lösen wir den ganzen Dorfrat auf, ja, Herr Ingenieur?«
    Der vernichtende, wütende, verabscheuende, herabsetzende Blick des Vorsitzenden genügte, um die leichtherzigen Worte in Ja’akov Sfaradis Kehle zu ersticken.
    »Zurückziehen?« donnerte Dulnikker. »Nachgeben?«
    »Ja, aber - was dann?«
    »Eine Polizeitruppe.«
    »Sag mir, Mischa, mein Freund«, sagte Dulnikker zu dem mächtigen Burschen, als dieser spät am selben Abend schwer auf seine Bettstatt sank, »bist du mit der Schuhflickerstochter irgendwie weitergekommen?«
    »Teufel, nein!« brummte Mischa. »Dwora ist so verliebt in ihre bebrillte Vogelscheuche, daß wir kaum miteinander reden. Ehrlich, ich halte mich von ihr zurück, Herr Ingenieur, weil ich Angst habe, ich könnte eines Tages diesem Angsthasen den Schädel einschlagen ...«
    »Pfui über dich, Mischa«, warf Dulnikker ein. »Habe ich dich nicht schon längst darauf hingewiesen, daß du die Schranken, die dich von Dwora trennen, nur dadurch niederbrechen kannst, daß du dir einen achtbaren öffentlichen Posten erwirbst?«
    »Gibt es irgendeinen achtbareren als den des Kuhhirten, der das Eigentum des Dorfes hütet?«
    »Doch, Mischa. Den Hüter des Gesetzes zum Beispiel.«
    »Wer ist das?«
    »Der Polizist!«
    »Was für eine Polizei?«
    »Machen Sie keine Witze, meine Herren! Haben Sie nicht gehört, daß der Provisorische Dorfrat Himmel und Hölle nach einem Polizisten absucht? Eigentlich - warum nicht? Du bist ein kräftiger junger Bursche, Mischa, du kannst lesen und schreiben, so gut man das erwarten darf, und dein Hund ist einer der größten im Dorf .«
    »Halt, Herr Ingenieur. Ich mag grüne Weiden und Tiere lieber als die Menschen. Ich bin als Polizist ungeeignet.«
    »Mischa, mein Freund, wer spricht von einem Polizisten? Ich will dich zum Chef der Kimmelqueller Polizeitruppe ernennen!«
    Der höchst wichtigen Verkündigung des Ingenieurs folgte langes Schweigen.
    »Dann wäre ich ein offizier . Sie meinen .«
    »Genau, was du gehört hast, Freundchen. Im Rang eines Hauptmannes.«
    »Und keiner über mir?«
    »Entschieden nein. Außerdem wirst du in zwei weiteren Monaten imstande sein, es bis zum Oberst zu bringen.«
    »Nun, ja, dann geht das also in Ordnung«, willigte Mischa ein, »weil ich nicht ganz von unten her anfangen wollte.«
    Vor der Eröffnungszeremonie hielt der Ingenieur persönlich für den Chef der Kimmelqueller Polizei einen Schnellkursus über das >Verhalten erstrangiger Polizeihauptleutec.
    »Ein Polizeihauptmann weiß alles, sieht alles, hört alles!«
    Das war der Eröffnungssatz des ersten Vortrages des Staatsmannes, und der Kuhhirte nickte zustimmend.
    »Sollte irgend etwas, Gott behüte, in Verletzung des Gesetzes geschehen, erscheint der Polizeibeamte auf dem Schauplatz des Verbrechens oder besser, er erscheint schon, bevor das Verbrechen begangen werden kann. Nachher verhört er die Zeugen und unterbreitet der Vollsitzung des Dorfrats einen eingehenden schriftlichen Bericht. Jedoch« - Dulnikker hob den Zeigefinger - »ein Zeuge ist ungültig!«
    »Bitte sehr, wer ist der ungültige Zeuge?«
    »Ich meine die Zahl >einer<«, erklärte er mit dem Glorienschein der Geduld, die er in vielen Sitzungen mit den Kimmelquellern entwickelt hatte. »Ein Zeuge allein ist kein Zeuge, obwohl du ihn trotzdem ins Kreuzverhör nehmen mußt.«
    »Da verlassen Sie sich darauf, Herr Ingenieur.« Der Kuhhirte wies stolz seine gigantischen Hände vor.
    »Ohne Emotion, Genossen, ohne Emotion!« Dulnikker hob die Stimme. »Ihr dürft dem Verdächtigen kein Haar krümmen! Ihr müßt alles schriftlich niederlegen, in Form von Frage und

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