Der Blaumilchkanal
Ende der internen Debatte
wartete. Zev durchforschte sein Gedächtnis und grub mühsam einen arabischen Satz von unzweifelhafter literarischer Qualität aus. Aber der Araber schüttelte den Kopf und
schnalzte traurig mit der Zunge, um dem Kuhhirten anzudeuten, daß er kein Wort verstanden hatte.
»Wäre es möglich, Zev, daß er nicht Arabisch kann?« überlegte Dulnikker. Dann fragte er den Araber aus einer Gewohnheit, die ihm dank seinen Besuchen von
Einwandererlagern zur zweiten Natur geworden war:
»Murvy pan po polsku? Guvriti pa russki?«
»Ness kafaj«, erwiderte dieser und hielt den Staatsmann die Büchse unter die Nase. »Ness kafaj.«
Dulnikker nahm die Büchse und bewegte den Kopf in der stummen Frage: »Wieviel?«
Der Araber wies auf eine der Kühe. Das machte Dulnikker böse.
»Der Kerl ist verrückt«, versicherte der Staatsmann. »Er will eine ganze Kuh für seine Büchse!«
Da jedoch nahm ihre Beziehung eine entscheidende Wendung. Der Araber begann auf französisch zu murmeln, eine Sprache, die er und Zev mehr oder weniger gemeinsam kannten.
»Er bietet hundert Büchsen Neskaffee für eine Kuh«, übersetzte der Sekretär und fügte hinzu, »das ist wirklich billig, Dulnikker.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, fuhr ihn der Staatsmann an. »Sag ihm, mein Freund, daß die Kühe nicht unser persönliches Eigentum sind. Außerdem darf ich wegen meines hohen Blutdrucks keinen Kaffee trinken. Überhaupt, wer ist dieser Kerl? Er kommt mir nicht bekannt vor.«
»He«, fragte Zev, »woher kommst du?«
»Aus dem Libanon.«
Diese erschreckende Eröffnung verursachte im Lager der Kuhhirten einige Verwirrung. Dulnikker zog seinen Sekretär beiseite und flüsterte ihm sehr aufgeregt zu:
»Ich wußte von Anfang an, daß er ein Infiltrator ist, weil kein israelischer Araber den Weg hier heraus finden könnte. Wir dürfen keinen Handel mit ihm treiben, Genossen!«
Der Infiltrator stand in einnehmender Schlichtheit da, voll ruhiger Erwartung, den großen Kopf leicht zur Seite gewendet, und streckte von Zeit zu Zeit den beiden sich beratenden Kuhhirten die Büchse entgegen. Die Sonne leuchtete mit dem Glanz der Brüderlichkeit, die Kühe käuten unschuldig das Gras wieder, und hie und da flatterte ein bunter Schmetterling vorbei.
»Setz dich«, befahl Dulnikker dem Infiltrator, denn er konnte es nie leiden, Leute müßig herumstehen zu lassen. Er setzte sein Gespräch mit seinem Sekretär fort.
»Ich will keine Komplikationen! Dieser Kerl muß trotzdem als Feind betrachtet werden!«
»Schön«, sagte Zev nachgiebig. »In dem Fall bringen wir ihn also um.«
»Das ist die Aufgabe unserer Sicherheitstruppen und der Grenzpolizei«, versicherte Dulnikker. »Frag ihn, was ihn hergeführt hat.«
Der Araber begann es mit einer endlosen Tirade zu erklären, und der Staatsmann erfuhr von Zev, daß er - der Araber -Kimmelquells Hauptlieferant war und in regelmäßigem Kontakt mit dem ehemaligen Kuhhirten stand. Wenn ihm die Effendis nicht glaubten, könnten sie den ehemaligen Kuhhirten über ihn ausfragen, und auch er würde ihnen sagen, daß er -der Araber - Juden gern hatte und auch bereit sei, sie zu vernünftigen Preisen mit allen anderen, im jüdischen Staat schwer erhältlichen Artikeln zu versorgen.
Dies verletzte den Stolz des Staatsmannes ernstlich.
»Sag ihm«, schrie er Zev an, »daß wir seine erbärmliche Ware nicht brauchen! Im Gegenteil, wenn wir die Blockade über ihn verhängen, hilft uns das, schnellstens unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen!«
»Ja«, sagte der Sekretär gehorsam und übersetzte dem Schmuggler: »Wieviel willst du für eine Büchse?«
»Ein Pfund siebzig. Aber nur Tnuva-Geld. Das ist reiner amerikanischer Neskaffee, Effendi.«
Die Geheimverhandlungen zwischen dem Araber und dem Dolmetscher führten jedoch zu keinem Resultat, weil Dulnikker seinen Sekretär sehr aufmerksam überwachte. Er warnte ihn, nicht mit dem Araber zu schwätzen, nicht zu viele Sätze zu verwenden, in denen >Neskaffee< allzuhäufig vorkam, sondern dem Infiltrator zu befehlen, zu verschwinden, bevor er >die Treppe hinuntergeschmissen wird<.
»Ein Pfund sechzig«, murmelte der Araber und trat beim Anblick von Dulnikkers störrischem Gesicht einige Schritte zurück. Aber anscheinend rührte der Weltschmerz in seiner Stimme das Herz des Staatsmannes.
»Frage ihn, Zev«, befahl er plötzlich, »ob es ihm möglich wäre,
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