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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Eindringlinge lag bei 20.
    Die Situation auf dem Balkon wurde kritisch, als Mischa eine Leiter gegen die Rücken der Familie Grünspan stützte. Eine heftige Diskussion entstand, und der Bruder des Gatten der Grünspanschen Haushaltshilfe, also der Onkel des Kindes, fiel auf den Bialazurkewitsch-Balkon in der unteren Etage. Zum Glück blieb er unverletzt, da der Balkon dicht mit Pestkranken besetzt war. Vom Lärm angelockt, erschien ein unten vorbeigehender Polizist und brachte seine beiden Töchter mit.
    Im weiteren Verlauf trafen noch ein: eine ältere Dame unbekannter Herkunft, Frau Pomeranz, die sich nach dem Wohlbefinden ihres Neffen erkundigen wollte, eine jemenitische Tanztruppe, der Friseur meiner Frau, ein gewisser Joel Finkelstein, der sich wenigstens vorstellte, der schwedische Botschafter, ein Mädchen namens Judy, mehrere Mitglieder einer äthiopischen Studienkommission, das Akrobatentrio »Die fliegenden Cordo-nas«, meine Schwester, die zweite Fallschinnbrigade und die Brüder Karamasow.
    Meine Gäste wurden hungrig. Ich kämpfte mich auf die Straße durch und kaufte an den Imbißbuden alles Eßbare auf. Einige Budenbesitzer wollten in die Wohnung mitkommen, aber ich ließ nur jeden dritten herein.
    Ein Beamter der Städtischen Behörde für Wohnbausicherung überbrachte mir die offizielle Warnung, daß der Balkon und möglicherweise auch der Fußboden bei weiterer Belastung einstürzen könnten. Dann fragte er, ob er seine Frau hierlassen dürfte.
    Schließlich kam noch der Installateur Stucks, den wir im Herbst des Vorjahres zur Reparatur eines tropfenden Wasserhahns bestellt hatten.
    Als der rechte Teil des Balkons zu bröckeln begann, zogen sich die dort Sitzenden auf den linken Teil zurück. Die Risse im Fußboden des Wohnzimmers trieben dann den Rest der Besucher in die Küche, doch das war auch keine ideale Lösung.
    Einige meiner Gäste hatten Glück und wurden nur bis zur Brusthöhe begraben, auch ich und meine Familie, so daß wir freien Ausblick behielten. Die Parade war ein Erlebnis.

    Wenn man den Berichten Glauben schenken kann, gab es bei der Mietkündigung von  Herrn und Frau Adam keine juristischen Probleme, obwohl die Adams bereits als Dauermieter eingetragen waren.
    Wenn es damals schon Mieterschutz gegeben hätte, säßen wir heute noch alle im Paradies. Schade.

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REIBUNGSLOSE HAUSBESETZUNG ODER DIE QUADRATUR DES KREISES
    Eines Tages hatte ich eine folgenschwere Idee. Ich entschloß mich, meinen Wohnsitz aus der Vorstadt ins Zentrum zu verlegen, um mir die Parkplatzsuche bei den Kinos zu sparen.
    Ich bin ein Mann der schnellen Tat. Noch bevor ich meine Idee zu Ende gedacht hatte, setzte ich einige Inserate in mehrere Zeitungen, und schon nach wenigen Wochen hatte ich Glück. In einem Kino traf ich zufällig meinen alten Freund und Schulkollegen Bummi BarGoldfisch, der mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählte, er habe die Absicht, seine Dreizimmerwohnung in der Stadtmitte für die Dauer eines Jahres für 5000 Schekel monatlich zu vermieten. Er hatte nämlich irrtümlicherweise ein UNESCO-Stipendium erhalten, das ihm die Möglichkeit gab, an einer finnischen Hochschule das Design von Skisprungschanzen zu studieren.
    Ich war zu unserer beiderseitigen Freude spontan bereit, seine Wohnung zu mieten. Ein Handschlag besiegelte die Abmachung, und schon wollte ich fröhlich trällernd nach Hause gehen, um zu packen, als mich Bummi am Rockzipfel zurückhielt.
    »Ich bitte dich um alles in der Welt, es nicht als Mißtrauen aufzufassen«, sagte mein Freund, »aber ich glaube, es wäre für alle Beteiligten klüger, die Formalitäten von einem Anwalt regeln zu lassen. Ich möchte nämlich nicht, daß es nachher irgendwelche Mißtöne gibt. Unsere alte Freundschaft soll bleiben wie einst.«
    Natürlich verstand ich. Wir verabredeten uns für den folgenden Tag beim Rechtsanwalt Dr. Avigdor Wichtig.
    Wie mancher weiß, gilt in unserem schönen orientalischen Land noch aus der Zeit der Türkenherrschaft ein altertümliches Gesetz, welches besagt, daß man aus einer unbewohnten Behausung unter keinen Umständen entfernt werden darf, sobald man darin ein Bett aufgestellt hat. Daher kommt die nahezu animalische Angst jedes heutigen Wohnungseigentümers, daß sein Mieter sich weigern könnte, die Wohnung zum vereinbarten Termin zu räumen. Das Leben im Orient ist eben voller Tücken, auch ohne Türken.
    Als ich am nächsten Tag beim Anwalt eintraf, merkte ich

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