Der Blaumilchkanal
Bar-Goldfisch durch die unverantwortlichen Transaktionen einen Verlust erleiden. Daher müßte ich auch noch eine moralische Verpflichtung eingehen, zum Beispiel das Oberrabbinat darum bitten, mich mit einem schweren Bann zu belegen, für den Fall, daß ich nach einem Jahr noch immer in der bewußten Wohnung anzutreffen wäre. Widerspruchslos unterzeichnete ich das Formular den Bann betreffend, während Bummi einen schweren Nervenzusammenbruch erlitt. Er begann um sich zu schlagen und brüllte, daß Dr. Wichtig viel zu leichtfertig mit fremdem Eigentum umgehe, daß ich nicht orthodox wäre, jederzeit auf den rabbinischen Bann pfeifen würde, und überhaupt fühle er es in seinem tiefsten Inneren, daß ich nie im Leben seine Wohnung aufgeben würde, schon gar nicht nach einem Jahr. Dann fiel er zu Boden. Aus seinem Mund quoll gelblicher Schaum hervor.
Dr. Wichtig versank in tiefes Brüten. Dann teilte er mir folgendes mit:
»Bei allem Respekt vor Ihrer Integrität, mein Herr, kann ich die Befürchtungen meines Mandanten nicht übergehen. Ich sehe mich daher leider gezwungen, zusätzlich eine Garantie von einer ausländischen Großmacht zu verlangen, die sich verpflichtet, den Krieg zu erklären, wenn Sie, mein Herr, im folgenden >Der Ein-dringling< genannt, nach Ablauf eines Jahres nicht bereit sein sollten, die Wohnung zu verlassen. Sobald Sie diese unwiderrufliche Garantie vorlegen, wird man Ihnen die Schlüssel unverzüglich geben.«
Die Interventionsmacht, auf die wir uns einigten, war Frankreich. Durch Vermittlung eines aus Algier stammenden Teppichhändlers erhielt ich am folgenden Tag die beglaubigte Unterschrift des französischen Botschafters.
Alles andere war nur noch eine Kleinigkeit. Ich hatte mich nämlich verpflichtet, im Stadtzentrum eine standesgemäße Dreizimmerwohnung zu kaufen und sie als Sicherheit für die von Herrn Bar-Goldfisch gemietete Wohnung dem Rechtsanwalt Dr. Wichtig für die Dauer eines Jahres zur Verfügung zu stellen.
Ferner mußte ich ein Formular unterzeichnen, wonach eine Kammerjägerfirma beauftragt wurde, die von mir
gemietete Wohnung genau ein Jahr nach Vertragsabschluß mit Zyangas auszuräuchern, um meinen zeitgerechten Auszug zu gewährleisten.
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Dann kam es endlich zum Vertragsabschluß zwischen mir einerseits und Herrn Bar-Goldfisch andererseits. Der 128 Seiten starke Akt legte fest, daß besagte Wohnung dem »Eindringling« lediglich für die Dauer eines einzigen Jahres, bestehend aus maximal 365 Tagen, überlassen werde. Die Transaktion sei eine Wohltätigkeit von Herrn Bar-Goldfisch, im folgenden »Der Wohltäter« genannt, die der »Eindringling« jeden Monatser-sten mit 10 000 Schekel bei sonstiger Exekution auszugleichen hätte.
Ich hatte zwei Tage lang Zeit, den Vertrag zu studieren, und als ich auf Seite 72 angelangt war, kam der große Moment, da wir beide zu gleichen Teilen und zu treuen Händen die Urkunde unterzeichnen durften.
Bar-Goldfisch stand kurz von seiner Bahre auf und übergab mir leise fluchend mit zitternden Händen die Wohnungsschlüs sei.
Dann sank er wortlos zu Boden.
Meine erste Vermutung war, daß er vor Angst, seine Wohnung nie wieder betreten zu dürfen, gestorben wäre. Doch der schnell herbeigeholte Notarzt stellte nur einen Schlaganfall mit zerebralen Lähmungserscheinungen fest.
Und so kam ich zu einer Wohnung im Zentrum.
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Bedauerlich ist nur, daß ich nicht berechtigt bin, in diese Wohnung einzuziehen. Der Artikel 397 auf Seite 123 unseres Vertrages besagt nämlich in aller Klarheit: »Der Eindringling verpflichtet sich hiermit unwiderruflich, während der Mietdauer unter keinen Umständen in besagte Wohnung einzuziehen.«
Dr. Wichtig erklärte mir, daß dieser Paragraph eine reine Formalität wäre, die mir überdies das kostspielige Ein- und Ausziehen ersparen würde. Vielleicht hat er recht.
In Israel sind die schönsten Häuser fest in jüdischer Hand, ein Umstand, der allseits heftigen Unwillen erregt. Am wütendsten sind die Oldtimer, die das Land vor 45 Jahren mit nur einem kleinen Koffer betraten, und heute haben Sie den Koffer immer noch.
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GENERATIONSKONFLIKT ODER FAHRSTUHL EINMAL IN DER WOCHE
Zorn und Abscheu spiegelten sich in den Gesichtszügen jenes älteren Herrn, der mich eines Tages vor dem Eingang zum Kino anhielt:
»Wohin so eilig, Mojshele?«
Ich gestand ihm, daß ich mir eine Eintrittskarte ins Kino gekauft hätte.
»Eintrittskarte ins Kino?« wiederholte er mit
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