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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Garrity leichter mit einem Phantom zu verwechseln, weil er äußerst geschwätzig und ablenkend ist und von den Schlänglern, die sich um Konzentration bemühen, daher oft für den jammernden Herzaffen der dunklen, selbstzerstörerischen Seite ihrer eigenen Persönlichkeit gehalten wird.
    Blumquist ist anders. Wenn sich Blumquist in der Luft nahe einem Prüfer manifestiert, sitzt er eigentlich einfach nur bei einem. Still und ohne einen Mucks zu machen. Nur ein leichtes Flimmern um Blumquist und seinen Stuhl herum verrät eine leichte Unstimmigkeit. Er macht einem nichts aus. Er starrt einen auch nicht unangenehm an. Man bekommt das Gefühl, dass er einfach nur gern da ist. Das Gefühl hat eine leicht traurige Note. Er hat eine hohe Stirn und sanfte Augen, die von seiner Brille vergrößert werden. Manchmal trägt er einen Hut; manchmal hält er ihn im Sitzen an der Krempe. Abgesehen von den Prüfern, die bei jeder Heimsuchung ausflippen – und das sind die Verkrampften und Labilen, die sowieso für Heimsuchungen durch Phantome reif sind, sodass ein Teufelskreis entsteht –, akzeptieren die meisten Prüfer Blumquists Heimsuchungen, ja mögen sie sogar. Ein paar scheint er besonders gern zu haben, aber eigentlich ist er ein Demokrat. Die Schlängler finden ihn umgänglich. Aber keiner erwähnt ihn je.

§ 27
    Der Orientierungsraum für Standardprüfer lag im obersten Stock vom RPZ -Gebäude. Man hörte die Geräusche der Nadeldrucker – nebenan lag die Abt. Systems. David Cusk hatte sich für einen Platz ziemlich weit hinten entschieden, unter einem Lüftungsschlitz der Klimaanlage, der die Seiten seiner Schulungsunterlagen und seines Internal Revenue Code nicht hochwehte. Es war entweder ein großer Seminarraum oder ein kleiner Hörsaal. Der Raum lag in hellem Neonlicht und war unheilverheißend warm. Vor den beiden breiten Südfenstern waren große Rollläden herabgelassen, aber man spürte die von ihnen und der Celotex-Decke abgestrahlte Sonnenhitze. Vierzehn neue Prüfer saßen in dem Raum, der Platz für einhundertacht bot, die erhöhte Bühne mit dem Podium und dem Carousel-Diaprojektor – fast genau wie dem, den Cusks Eltern gehabt hatten – nicht mitgezählt.
    Die Schulungsleiterin Compliance hatte glatte Haare, trug einen hellbraunen Hosenanzug und flache Schuhe und hatte zwei verschiedene Ausweise an den beiden Jackentaschen. Sie drückte ein Klemmbrett an die Brust und hielt einen Zeigestock in der Hand. Der Raum hatte ein Whiteboard, keine Kreidetafel. Im kalten Licht des Raums war ihr Gesicht talgfarben. Unterstützt wurde sie von einem Mann aus der Personalabteilung der Dienststelle, dessen leuchtend blaue Jacke zu kurz war und seine Handknöchel sehen ließ. An den sechs festgeschraubten Pulten um Cusk herum saß niemand, und das Jackett hatte er genauso abgelegt wie drei andere Leute an ihren Pulten. Die Prüfer, die heute erst angekommen waren, hatten ihr Gepäck ordentlich an der Rückseite der gegenüberliegenden Wand abgestellt. Cusk hatte zwei Bleistifte in der Tasche, beide ohne Radiergummi und so stark zerkaut, dass sich nicht mehr sagen ließ, welche Farbe sie mal gehabt hatten. Er stand kurz vor einer Attacke wie im Auto, wo der Mann mit dem so entsetzlich gekocht aussehenden Gesicht ihn beobachtet hatte, als seine Körpertemperatur in die Höhe schoss, und er hatte sich beherrschen müssen, um nicht einfach über den Mann rüberzuklettern und auf das Fenster einzutatzen, um Luft zu kriegen. Fast wie die andere nur eine Stunde später in der Ausweisschlange, wo er schon nach ein paar Minuten belagert worden war und die Schlange nicht hätte verlassen können, ohne dass der Mann in der blauen Jacke ihm jede Menge Fragen gestellt hätte, die alle anderen in der Schlange mitbekommen und ihn dann angesehen hätten, und als er dann unter den beiden heißen Lampen stand, hatte er die Masche, sich Haare aus der Stirn zu streichen, so oft abgezogen, dass ihm die Haare buchstäblich zu Berge standen, was er erst merkte, als der Ausweis ganz heiß aus dem Laminator kam und er das Foto sah.
    In dem Jahr an der Highschool, in dem sich seine Noten so sprunghaft verbessert hatten, hatte Cusk entdeckt, dass die Gefahr einer Attacke verringert werden konnte, wenn er allem, was um ihn herum vor sich ging, große und anhaltende Aufmerksamkeit schenkte. Nach zwei Jahren hatte er den Abschluss in Rechnungswesen am Community College Elkhorn-Brodhead gemacht. Das Problem war, dass es ab einem bestimmten

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