Der bleiche König: Roman (German Edition)
auch bei sich zu Hause, weil er nie zu Hause sein und fernsehen kann; er ist die ganze Zeit unterwegs.«
»Hovatter wohnt bei seinen Eltern.«
»Wieso macht er das eigentlich?«
»Das gehört zu seinem radikalen Sparplan, damit er sein Gehalt für das Projekt auf die hohe Kante legen kann.«
»Das mein ich nicht.« Das war ein Nebengespräch zwischen Tantillo und einem G-2er namens G. Sandover, der sich quietschend einen Stuhl vom Nachbartisch herangezogen hatte. Zwei andere von den ursprünglichen G-2ern gingen, und Singh merkte, dass Sylvanshine ihnen aufmerksam nachsah. Er schien sich auch zu merken, welche Prüfer wie oft auf eine der Wanduhren sahen. Die dritte Mittagswelle hatte noch neunzehn Minuten. Sandover hatte auf der einen Seite einen Fleck oder Klecks am Hemdkragen.
Im Hauptgespräch erkundigte sich jetzt Gruppenleiter K. Evashevsky, ein ordnungsbeflissener und methodischer Esser, der sich offenbar erst zu Wort melden konnte, wenn er sein Sandwich aufgegessen und den Daumen auf alle Krümel und Salatblättchen gedrückt und diese effizient zum Mund geführt hatte: »Wo liegt der Durchschnittspreis eines videokompatiblen Fernsehers, der auch Kabelanschluss hat? Bei zweihundert Dollar? So die Schiene?«
»Muss er Farbe sein oder reicht Schwarz-Weiß?«
»Wenn die Fernsehsendung in Farbe kommt, sollte Hovatter sie dann nicht auch in Farbe sehen?«
»Wir wissen doch nicht mal, wie viele Fernseher Hovatter hat, die er nicht kaufen muss, ich mein, vielleicht leihen seine Eltern ihm ja ein oder zwei.«
Wakeland sagte: »Hinzu kommt, dass die Zeiten, in denen er in den verschiedenen Häusern neue Kassetten in die Rekorder einlegt, gestaffelt werden müssen, weil Hovatter ja nicht pünktlich um acht oder Mitternacht in zwölf Häusern auf einmal sein kann, um die Kassetten zu wechseln.«
Randall rieb sich das Kinn und nickte. »Wenn der Zeitplan für Hovatters Kassettenwechsel erstellt wird, muss also die Entfernung von ihm zu, sagen wir, Mr Jones’ Haus und die von Mr Jones’ Haus zum nächsten berücksichtigt werden.«
Pethwick: »Nur sollen sie ja alle gleichzeitig starten, oder? Das Projekt lautet, genau einen Monat lang alles zu sehen. Also müssen alle Rekorder genau um Mitternacht oder um zwölf Uhr mittags anlaufen.« Sylvanshines ermutigendes Nicken war bei jedem Sprecher exakt gleich. Singh langweilte sich inzwischen wahnsinnig und war unruhig und frustriert, weil er den Leuten ständig auf die Ausweise schauen musste, um sie zu identifizieren, und weil er sich die Namen und ein paar typische Merkmale nicht einfach merken konnte, denn dann hätte er dem Gespräch folgen können, ohne ihnen ständig auf die Ausweise zu sehen. Er merkte, dass er unwillkürlich wegdämmerte, so wie er früher als Kaputtnik in der Schule immer weggedämmert war. Er erinnerte sich an Autofahrten in der Kindheit, als seine Eltern zusammen gewesen waren und vorn gesessen hatten und er hinten eingeschlafen war, und das Gespräch seiner Eltern sauste und brauste in seinen Ohren und verlor allen Zusammenhang, und daran spürte er, dass er richtig einschlief und nicht nur auf dem Rücksitz lag und seinen Eltern zuhörte, während sein Vater fuhr.
»Warum müssen die Kassetten überhaupt gewechselt werden?«, fragte ein G-2er namens M. Rabwin, der links ein irgendwie hängendes Augenlid hatte, und seine Frage stieß nur auf leere Gesichter und verblüfftes, vernichtendes Schweigen. Hovatter hatte das Kinn in die Hand gestützt und zeigte den Anflug eines geheimnisvollen Lächelns, das Singh aus irgendwelchen Gründen ärgerte. Hovatter erinnerte ihn an jemanden, den er nicht mochte, aber er kam nicht drauf, wer das sein könnte.
»Aber wenn sie alle gleichzeitig anlaufen«, sagte Wakeland, »wie sollen sie dann zu verschiedenen gestaffelten Zeiten gewechselt werden, ohne dass –«
»Du gehst von einem Idealzustand aus, wo jedes Band bis zur letzten Minute genutzt wird«, sagte Tantillo. »Das ist aber kein Matheproblem. Manche Kassetten speichern einfach nur dreieinhalb Stunden lang.«
»Wobei du dann zugeben musst, dass das den finanziellen Aufwand für Videokassetten nur erhöht, und er muss schon hundertachtzig mal elf Kassetten kaufen – mal zwölf, falls er selber rumfährt und die Kassetten wechselt, und dann kommen wegen der unvollständigen Auslastung noch zwei oder drei zu den hundertachtzig hinzu, und schon haben wir’s mit ...«
Randall: »Ihr vergesst alle, dass über die Hälfte der Anstalten
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