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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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nichts anderes machen? Gilt nur das als fernsehen? So sieht doch keiner fern!«
    Wakeland und Runyon setzten gleichzeitig zur Antwort an; kurz war unklar, wer die Oberhand erhalten würde, dann gab Runyon nach und starrte Wakeland an. Der hatte tief liegende Augen und einen skandinavischen Strabismus und sagte: »Entscheidend ist doch, dass Hovatter selbst die Kriterien festlegen muss, was als fernsehen gilt. Abgesehen von der körperlichen Anwesenheit muss er definieren, wie aufmerksam er schauen muss, ob er hin- und herschalten darf, ob er das Band jedes Mal anhalten muss, wenn er aufs Klo geht usw.«
    »Apropos. Videos kann man anhalten, richtiges Fernsehen aber nicht, wenn man auf den Pott muss oder sich ein Bier holt. Hat Hovatter traditionelles Fernsehen im Sinn oder denkt er an einen ganz neuartigen Videokonsum?«
    »Wenn man sich’s genau überlegt, ist das komplizierter, als man meinen sollte. Hovatter ist sich dessen bewusst.«
    Hovatter hatte sich wieder zurückgelehnt und die Hände hinter den Kopf gelegt. Die universelle Haltung entspannter Selbstsicherheit. Der Mützenschirm gab seinem Gesicht einen grünlichen Schimmer. Erst als ihm durch die gestreckte Haltung die Ärmel hochrutschten, sah Sing, dass er an beiden Handgelenken eine Armbanduhr trug. Tantillo sagte: »Um’s kurz zu machen, Sandover, damit rechnen sie nicht, und darauf zählen sie nicht.«
    »Sie?«
    »Vier Sender waren das eine. Jetzt zwölf. Wie viele wohl im nächsten Jahr? Oder danach? Was machst du, wenn es fünfzig Kabelkanäle gibt?«
    Sandover sagte: »Mal davon abgesehen, dass ich nicht peile, wer ›sie‹ sein sollen, was hast du denn gegen fünfzig Kanäle?«
    »Dass man keine Wahl hat, wenn man in den Wahlmöglichkeiten ersäuft und nicht mehr sinnvoll wählen kann, weil man zu viele Alternativen hat.«
    »Willst du behaupten, das wäre eine Verschwörung?«
    »Es ist der Markt. Die Leute wollen die Wahl haben, er lässt ihnen die Wahl.«
    Tantillo sah Sandover cool und ruhig an. »Jemand will, dass du gar nichts siehst.«
    »Was nicht siehst?«
    »Überleg mal. Du siehst eine Sendung und kannst dadurch elf andere nicht sehen. Du musst immer mehr ignorieren, nur um irgendwas wählen zu können. Das ist zu viel.«
    »Aber doch nicht nachts, wenn sechs davon gar nicht auf Sendung sind«, sagte Rabwin und wurde erneut ignoriert. Der Wortwechsel beschränkte sich jetzt auf Tantillo und Sandover.
    Tantillo warf Hovatter einen kurzen Blick zu und fuhr fort: »Mal angenommen, es kommt was wirklich Wichtiges. Irgendwas Wesentliches, was du siehst. Woher willst du das wissen? Je mehr irrelevante Wahlmöglichkeiten du hast, desto mehr wird die Wirklichkeit verborgen.«
    »Er meint eine Art Faktenmuster.«
    »Ich meine Signal und weißes Rauschen; das Signal geht im weißen Rauschen unter. Wenn sie etwas geheim halten wollen, brauchen sie es nicht mehr zu verstecken, sondern können es in einer Unzahl von Alternativen vergraben.«
    »Er meint eine Art Metazensur. Dann können sie nämlich alles öffentlich machen und mit allem durchkommen, weil alle viel zu gelähmt und überwältigt sind, um auf irgendwas zu achten.«
    »Schon wieder die geheimnisvollen ›sie‹.«
    »Oder sie machen es richtig langweilig, reichern es mit Statistiken an und umgeben es mit all diesen Alternativen, die viel amüsanter und unterhaltsamer und was weiß ich sind.«
    Tantillo: »Hovatters These lautet, dass sie nicht glauben, dass wir das schaffen. Er will zeigen, dass man es schaffen kann. Das ist eine Rebellion in der einzigen Form, in der Rebellion heute noch einen Sinn hat. Er schluckt alles, was sie ihm vorwerfen. Er verkraftet alles.«
    »Das ist keine Rebellion. Es ist obszön, zu behaupten, es wäre eine Rebellion, auf dem Sofa zu sitzen und einen Kasten anzustarren.«
    »Eine Art Superkonsument?«
    »Das gibt ihnen zu denken.«
    »Mir fällt auf, dass sie noch immer nicht vorgestellt worden sind.«
    »Du verstehst nicht, worum es geht. Das ist vielleicht das letzte Mal, dass ein Einzelner das alles aufnehmen kann. Bei fünfzig ist das ausgeschlossen – das wären fünfzig Monate, um einen Monat zu sehen.«
    »Neunundvierzig, Herrgott noch mal.«
    »Wie naiv kann man eigentlich sein?«
    »Wenn schon sonst nichts, sehen wir wenigstens, dass es Arbeit kostet. Erst mal muss sehr viel kodifiziert werden.«
    Alle standen auf, weil der Junge aufstand, der die ganze Zeit die Wanduhr im Auge behalten hatte.
    »Wenn das einer schafft, dann

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