Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
dem Treffen aller Golflöcher mit jeweils nur einem Schlag oder einem Traum, der Wahrheit wird, beleuchtet. Es existiert ein weiter Bereich mathematisch kalkulierbarer Unwahrscheinlichkeiten weit außerhalb des vom Scheinwerfer beleuchteten Abschnitts.
Unser Gehirn ist von der natürlichen Auslese dafür gebaut worden, Wahrscheinlichkeit und Risiko abzuschätzen, ebenso wie unsere Augen dafür gemacht sind, elektromagnetische Wellenlängen zu beurteilen. Wir sind dafür gerüstet, in unserem Kopf Berechnungen über Risiken und Chancen anzustellen, aber innerhalb des Bereichs von Unwahrscheinlichkeiten, die in einem menschlichen Leben nützlich zu sein pflegen.
Das heißt Risiken in der Größenordnung wie, sagen wir einmal, von den Hörnern eines Büffels durchbohrt zu werden, wenn wir einen Pfeil auf ihn abschießen, oder vom Blitz getroffen zu werden, wenn wir während eines Gewitters Schutz unter einem einzeln stehenden Baum suchen, oder zu ertrinken, wenn wir durch einen Fluß zu schwimmen versuchen. Diese akzeptablen Risiken stehen im Einklang mit unserer Lebenszeit von ein paar Jahrzehnten. Wenn wir, biologisch gesehen, in der Lage wären, eine Million Jahre zu leben und wenn wir das wollten, so müßten wir Risiken ganz anders einschätzen. Wir sollten es uns zum Beispiel zur Gewohnheit machen, nie über eine Straße zu gehen, denn wenn wir während einer halben Million Jahre jeden Tag über die Straße gingen, würden wir unzweifelhaft überfahren werden.
Die Evolution hat unser Gehirn mit einem subjektiven Bewußtsein von Risiko und Unwahrscheinlichkeit ausgerüstet, das sich für Geschöpfe mit einer Lebenszeit von weniger als einem Jahrhundert eignet. Unsere Vorfahren haben immer Entscheidungen über Risiken und Wahrscheinlichkeiten treffen müssen, und die natürliche Auslese hat daher unser Gehirn dafür gerüstet, Wahrscheinlichkeiten auf dem Hintergrund der kurzen Lebenszeit zu beurteilen, mit der wir in jedem Fall rechnen können. Wenn auf einem Planeten Wesen leben, deren Lebenszeit eine Million Jahrhunderte beträgt, so wird ihr Scheinwerferkegel sich entsprechend mehr in Richtung auf das rechte Ende des Kontinuums hinbewegen. Sie werden erwarten, daß sie von Zeit zu Zeit ein perfektes Blatt bekommen und werden sich, wenn es geschieht, kaum die Mühe machen, es jemand anderem mitzuteilen. Aber sogar sie werden stutzen, wenn ihnen eine Marmorstatue zuwinkt, denn man müßte Dealions länger leben als selbst sie, um ein Wunder dieser Größenordnung zu sehen.
Was hat das alles mit Theorien über die Entstehung des Lebens zu tun? Nun, wir stimmten anfangs darin überein, daß Cairns-Smiths Theorie und auch die Theorie von der Ursuppe in unseren Ohren ein wenig weit hergeholt und unwahrscheinlich klangen. Wir neigen dazu, diese Theorien aus eben diesem Grunde zu verwerfen. Aber »wir« - erinnern wir uns -, wir sind Wesen, deren Gehirne mit einem Scheinwerferlicht ausgerüstet sind, das bleistiftdünn ist und nur das äußerste linke Ende des mathematischen Kontinuums kalkulierbarer Risiken beleuchtet. Unser subjektives Urteil darüber, was eine gute Wette zu sein scheint, ist nicht maßgebend dafür, was tatsächlich eine gute Wette ist. Das subjektive Urteil eines Wesens von einem anderen Stern mit einer Lebenszeit von einer Million Jahrhunderten wird ganz anders aussehen. Er wird ein Ereignis als völlig glaubwürdig einstufen (etwa die Entstehung des ersten sich reproduzierenden Moleküls), wie sie die Theorie irgendeines Chemikers behauptet, das wir, von der Evolution für wenige Jahrzehnte Dauer ausstaffiert, für ein erstaunliches Wunder halten müssen. Wie können wir entscheiden, wessen Standpunkt der richtige ist, unserer oder der des langlebigen Fremdlings?
Es gibt eine einfache Antwort auf diese Frage. Wenn man die Glaubwürdigkeit einer Theorie wie die von Cairns-Smith oder wie die Ursuppentheorie betrachtet, so ist der Standpunkt des langlebigen Wesens von einem fremden Stern der richtige. Und zwar deshalb, weil diese beiden Theorien ein spezielles Ereignis postulieren - die spontane Entstehung einer sich selbst reproduzierenden Einheit -, das nur einmal in etwa einer Milliarde Jahre eintritt, einmal pro Äon. Anderthalb Äonen sind ungefähr zwischen der Entstehung der Erde und den ersten bakterienähnlichen Fossilien vergangen. Für unsere in Jahrzehnten denkenden Gehirne ist ein Ereignis, das nur einmal pro Äon eintritt, so selten, daß es als großes Wunder erscheint. Dem
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