Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
langlebigen Fremden von einem anderen Stern wird es als ein kleineres Wunder erscheinen als uns ein Golfplatzdurchgang mit nur einem Schlag pro Loch - und die meisten von uns kennen wahrscheinlich jemanden, der jemanden kennt, der diese Leistung bereits vollbracht hat. Für die Beurteilung von Theorien über die Entstehung von Leben ist die subjektive Zeitskala des langlebigen Fremden die relevante Skala, denn sie entspricht etwa dem Zeitmaß, um das es bei der Entstehung des Lebens geht. Unser eigenes subjektives Urteil über eine Theorie über die Entstehung des Lebens ist wahrscheinlich um einen Faktor von hundert Millionen falsch.
Wahrscheinlich ist unser subjektives Urteil sogar noch um einen größeren Spielraum falsch. Denn unser Gehirn ist von der Natur nicht nur dafür ausgerüstet, kurzfristige Risiken zu beurteilen, es ist darüber hinaus auch dafür gemacht, Risiken zu beurteilen, die uns persönlich oder einen engen Kreis von Leuten, die wir kennen, angehen. Und zwar deshalb, weil unser Gehirn sich nicht unter Bedingungen der Massenmedien entwickelt hat. Berichterstattung in den Massenmedien bedeutet, daß, wenn irgend jemandem irgendwo auf der Welt ein unwahrscheinliches Ereignis widerfährt, wir in unseren Zeitungen oder im Guinness-Buch der Rekorde darüber lesen. Wenn ein Redner, irgendwo auf der Welt, öffentlich einen Blitz herausfordern würde, ihn zu erschlagen, falls er nicht die Wahrheit sage, und wenn dies unverzüglich geschähe, so würden wir davon lesen und entsprechend beeindruckt sein. Aber es gibt mehrere Milliarden Menschen auf der Welt, denen eine solche Koinzidenz geschehen könnte, so daß die Koinzidenz tatsächlich nicht so unwahrscheinlich ist, wie sie scheint. Unser Gehirn ist wahrscheinlich von der Natur dafür eingerichtet, Risiken zu beurteilen, die uns selbst oder ein paar hundert Leute in dem kleinen Umkreis von Dörfern in Trommelhörweite betreffen könnten; nur von ihnen konnten unsere in Stämmen lebenden Vorfahren Nachrichten erwarten. Wenn wir in einer Zeitung über ein erstaunliches Zusammentreffen lesen, das jemandem in Valparaiso oder Virginia widerfuhr, so sind wir davon mehr beeindruckt, als wir sein sollten. Mehr beeindruckt um einen Faktor von vielleicht hundert Millionen, entsprechend dem Verhältnis zwischen der Weltbevölkerung, über die unsere Zeitung berichtet, und der Stammespopulation, über die unsere in der Evolution entstandenen Gehirne Nachricht zu hören »erwarten«.
Diese »Bevölkerungskalkulation« ist auch für unser Urteil über die Plausibilität von Theorien über den Ursprung des Lebens relevant. Nicht wegen der menschlichen Bevölkerung auf der Erde, sondern wegen der Population von Planeten im Universum, auf denen Leben entstanden sein könnte. Das ist einfach nur dasselbe Argument, dem wir bereits an früherer Stelle in diesem Kapitel begegnet sind; so ist es also nicht notwendig, uns noch einmal ausführlich damit zu befassen. Kehren wir zu unserem geistigen Bild einer abgestuften Skala unwahrscheinlicher Ereignisse mit ihren der Orientierung dienenden Bridgekarten und Würfelergebnissen zurück. Auf dieser abgestuften Skala von Dealions und Mikro-Dealions markieren wir drei neue Punkte: Wahrscheinlichkeit, daß in, sagen wir einmal, einer Milliarde Jahren Leben auf einem Planeten entsteht, wenn wir annehmen, daß Leben mit einer Rate von etwa einmal pro Sonnensystem entsteht; Wahrscheinlichkeit, daß Leben auf einem Planeten entsteht, wenn Leben mit einer Rate von etwa eins pro Galaxie entsteht; Wahrscheinlichkeit von Leben auf einem aufs Geratewohl ausgewählten Planeten, wenn das Leben nur einmal im ganzen Universum entstünde. Wir nennen diese drei Punkte Sonnensystemzahl bzw. Galaxienzahl und Universumzahl. Vergessen wir nicht, daß es ungefähr zehn Milliarden Galaxien gibt. Wir wissen nicht, wie viele Sonnensysteme jede Galaxie hat, da wir nur Sterne sehen können, keine Planeten, aber wir sind an früherer Stelle bereits von einem Schätzwert ausgegangen, daß es 100 Trillionen Planeten im Universum geben dürfte.
Wenn wir die Unwahrscheinlichkeit eines Ereignisses beurteilen, wie es z. B. von Cairns-Smiths Theorie vorausgesetzt wurde, so sollten wir es nicht vor dem Hintergrund dessen beurteilen, was wir subjektiv für wahrscheinlich oder unwahrscheinlich halten, sondern vor dem Hintergrund von Zahlen wie diesen dreien: Sonnensystemzahl, Galaxienzahl und Universumzahl. Welche dieser drei Zahlen die angemessenste ist, hängt
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