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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Zellen (»Photozellen«) sind nicht das erste, worauf das Licht fällt. Sie sind im Innern verborgen und vom Licht abgewandt. Dieses sonderbare Detail wird später noch einmal erwähnt. Das erste, worauf das Licht fällt, ist die Schicht von Ganglienzellen, die die »elektronische Grenzfläche« zwischen den Photozellen und dem Gehirn sind. Tatsächlich sind die Ganglienzellen für eine komplizierte Vorausverarbeitung der Information verantwortlich, bevor sie diese an das Gehirn weiterleiten, und in gewisser Weise wird das Wort »Grenzfläche« dieser ihrer Tätigkeit nicht gerecht. »Satellitencomputer« wäre ein passenderer Name. Von den Ganglienzellen laufen Nervenfasern die Oberfläche der Retina entlang zu dem »blinden Fleck«, wo sie durch die Retina hindurchtauchen, um das Hauptkabel zum Gehirn zu bilden, den Sehnerv. Die »elektronische Grenzfläche« enthält etwa drei Millionen Ganglienzellen, die Daten von etwa 125 Millionen Photozellen sammeln.
    Unten sehen wir eine vergrößerte Photozelle, ein Stäbchen. Wenn wir die wunderbare Architektur dieser Zelle betrachten, so dürfen wir nicht vergessen, daß diese ganze Komplexität in jeder Retina 125millionenmal wiederholt ist. Und vergleichbare Komplexitäten sind billionenmal an anderen Stellen jedes Körpers als Ganzes wiederholt. 125 Millionen Photozellen sind etwa das 5000fache der Anzahl getrennt auflösbarer Punkte in einer Zeitschriftenphotographie von hoher Qualität. Die gefalteten Membranen auf der rechten Seite der dargestellten Photozelle sind die letztlich das Licht sammelnden Strukturen.

     
    Abb. 1
     
    Wie sie in Schichten gefaltet sind, erhöht die Leistungsfähigkeit der Photozelle beim Einfangen von Photonen, den Energiepartikeln des Lichts. Wenn ein Photon nicht von der ersten Membran gefangen wird, so kann es von der zweiten gefangen werden. Infolgedessen sind einige Augen fähig, ein einzelnes Photon zu entdecken. Die schnellsten und empfindlichsten Filmemulsionen, die Fotografen zur Verfügung stehen, brauchen zur Entdeckung eines Lichtpunktes ungefähr 25mal so viele Photonen. Die rautenförmigen Gegenstände in dem mittleren Zellabschnitt sind großteils Mitochondrien. Mitochondrien gibt es nicht nur in Photozellen, sondern auch in den meisten anderen Zellen. Man kann sich jede als chemisches Kraftwerk vorstellen, das im Verlauf der Lieferung ihres Hauptproduktes, benutzbarer Energie, in langen, miteinander verwobenen Montagelinien, die entlang der Oberfläche ihrer kompliziert gefalteten inneren Membranen ausgespannt sind, mehr als 700 verschiedene chemische Substanzen verarbeiten. Das runde Kügelchen links ist der Zellkern. Er ist wiederum für alle Tier- und Pflanzenzellen charakteristisch. Jeder Kern enthält, wie wir in Kapitel 5 sehen werden, eine digital kodierte Datenbank, deren Informationsgehalt größer ist als alle 30 Bände der Encyclopaedia Britannica zusammen. Und diese Zahl gilt für jede einzelne Zelle, nicht erst für alle Zellen des Körpers zusammengenommmen.
    Der Stab unten im Bild ist eine einzelne Zelle. Die Gesamtzahl der Zellen im Körper (eines Menschen)beträgt etwa 10 Billionen. Wenn wir ein Steak essen, so zerfetzen wir das Äquivalent von mehr als 100 Milliarden Kopien der Encyclopaedia Britannica.

Kapitel 2 Der treffliche Entwurf
     
    Die natürliche Auslese ist der blinde Uhrmacher; blind, weil sie nicht voraussieht, weil sie keine Konsequenzen plant, keinen Zweck im Sinn hat. Dennoch beeindrucken uns die lebenden Resultate der natürlichen Auslese in überwältigender Weise durch den Anschein von Planung, so als seien sie von einem Meisteruhrmacher entworfen; sie beeindrucken uns durch die Illusion von Entwurf und Planung. In diesem Buch will ich versuchen, dieses Paradoxon zur Zufriedenheit des Lesers zu lösen. Außerdem will ich in diesem Kapitel den Leser beeindrucken, indem ich ihm die Stärke jener Illusion vor Augen führe. Wir werden uns ein spezielles Beispiel ansehen und daraus schließen, daß Paley in bezug auf Komplexität und Schönheit des Planes noch kaum über die ersten Anfänge seiner Beweisführung hinausgekommen war.
    Nach unserer Ansicht sind ein lebender Körper und ein lebendes Organ gut entworfen, wenn sie Merkmale besitzen, die ein intelligenter und kenntnisreicher Ingenieur eingebaut haben könnte, um irgendeinen vernünftigen Zweck zu erreichen - etwa Fliegen, Schwimmen, Sehen, Essen, Sich-Fortpflanzen oder, allgemeiner, Förderung des Überlebens und der Replikation

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